Kritik zu Gloria!
Heiteres Historienmusical mit einer Emanzipationsgeschichte, die die Konventionen des beginnenden 19. Jahrhunderts auf den Kopf stellt
Alles ist Rhythmus, ist Musik: Im Takt kehren die Frauen den Hof, wringen die Wäsche, klopfen die Laken, schneiden das Gemüse; dazu der klare Gesang eines Mädchenchores, die Klänge von Bratschen und Geigen, das Schlagen von Rasseln. Es ist der beschwingte Auftakt des flauschig-leichten Kostümfilms Gloria!, den die Filmemacherin und Musikerin Margherita Vicario mit einer zeitgeistigen Selbstermächtigungsgeschichte kombiniert. So schafft sie ein Feel-Good-Movie mit überschwänglichen Musikszenen und einer zu Herzen gehenden Story. Bei allem Kitsch gelingt ihr ein mitreißendes Barockmusical mit Aschenputtelgeschichte.
Dieses Aschenputtel ist Teresa (Galatéa Bellugi). Im Jahr 1800 kümmert sie sich um die Kinder und sonstigen Aufgaben im Haushalt des klosterähnlichen Waisenhauses mit Musikerziehung Sant' Ignazio nahe Venedig. Alle nennen sie nur »die Stumme«. Tatsächlich aber ist sie vom Klostervorsteher, Musiklehrer und Komponisten Perlina (Paolo Rossi) mundtot gemacht worden – nach einem traumatischen Ereignis. Das wird später noch eine entscheidende Rolle und den jungen Frauen in die Hände spielen. Eines Tages wird ausgerechnet Sant' Ignazio für einen Besuch des frisch gewählten Papstes erkoren – und der alternde Perlina soll ein großes Musikstück zu dem Anlass schreiben, befindet sich aber in einer schweren Schaffenskrise.
Beim Putzen entdeckt Teresa im Keller einen kleinen Flügel, und, obwohl sie nie unterrichtet wurde, beginnt sie, eigene Kreationen auf dem Instrument zu spielen. Das wiederum lockt die Orchestermädchen an: Lucia (Carlotta Gamba), erste Violine und eine der Begabtesten. Dann sind da noch die Waise Bettina (Veronica Lucchesi), die Naive Marietta (Maria Vittoria Dallasta) und die wohlgeborene, nette Prudenza (Sara Mafodda). Teresa und Lucia liefern sich zunächst einen kleinen Zickenkrieg, die anderen Mädchen aber beginnen, Teresa für ihr unkonventionelles, originelles Spiel zu bewundern. Wie nebenbei scheint das Aschenputtel 150 Jahre zu früh die Power-Ballade des Pops zu erfinden.
Die Mädchen raufen sich zusammen, auch weil die tragische Liebesgeschichte Lucias sie zusammenschweißt. Jede Nacht treffen sie sich zum Musizieren und schaffen ihre eigenen Kompositionen, bis Perlina sie entdeckt. Doch dann hat Teresa ihren Trumpf in der Hand. Zugleich schmieden die Mädchen einen verwegenen Plan für den Besuch des Papstes, der Perlina blöd dastehen lässt, und sie zu Siegerinnen über die herrschende Misogynie macht.
Mit der Beschwingtheit des Musicals erzählt Margherita Vicario diese Emanzipationsgeschichte, in der sie den Beginn des 19. Jahrhunderts mit der Gegenwart vermengt, einen mitreißenden Score präsentiert und leider sehr stereotype Figuren schafft. Armut, Leid, Vergewaltigung und Verrat singen und musizieren diese jungen Frauen einfach weg. Sich dieser unbeschwerten, teils gewitzten, wenn auch wenig tiefgründigen Heiterkeit zu entziehen, ist fast unmöglich.
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