Amazon: »Fallout«

»Fallout« (Serie, 2024). © Amazon MGM Studios

© Amazon MGM Studios

Hurra, die Welt geht unter

Die filmische Postapokalypse ist oft eher eine triste Angelegenheit. Etwas anders verhält es sich in den Welten der Videospielreihe »Fallout« (seit 1997). In ihnen verwandelt sich die atomare Apokalypse in ein absurdes Theater zwischen schräger Satire und dystopischer Parabel. Dieser Tendenz zur Karnevalisierung folgt auch die erste Staffel der Serienadaption.

Damit kommt sie genau zum richtigen Zeitpunkt. Denn zunehmend droht sich die serielle Endzeit im Zeichen der »Walking Dead«-Epigonen selbst zu kannibalisieren. Zwar verdaut auch die von Amazon produzierte »Fallout«-Adaption einiges an Filmgeschichte, von Stanley Kubricks »Dr. Seltsam« über Westernklassiker von John Ford und Sergio Leone bis hin zu den »Mad Max«-Filmen. Doch verarbeitet »Fallout« die film- und kulturgeschichtlichen Einflüsse kreativ weiter.

Aus den eingesammelten Referenzen zimmert das Team um die Showrunner*innen Geneva Robertson-Dworet (»Captain Marvel«, »Tomb Raider«) und Graham Wagner (»Portlandia«) eine schillernde Storyworld: Der Atomkrieg hinterlässt in den verstrahlten USA einerseits unterirdische Schutzbunker. Deren Retrodesign signalisiert, dass in ihnen nicht nur die Uhren in den Eigenheimträumen der 1950er Jahre stehengeblieben sind. An der Oberfläche erhob sich hingegen aus den Trümmern der Konsumgesellschaft ein bizarrer Ritterorden in futuristischen Rüstungen. Dessen aufgeblasenes, martialisches Gehabe erinnert eher an Monty Pythons »Ritter der Kokosnuss« als an die Biker-Gangs aus »Mad Max«. In den Weiten der Wüste ziehen außerdem Ghouls durch die Lande. Diese erinnern sogar noch an die Outlaws des Italowesterns, wenn ihnen bereits die Nasen abgefallen sind.

Die Produzent*innen Jonathan Nolan und Lisa Joy schickten bereits in der Serie »Westworld« Genres auf kreativen Kollisionskurs. An diese Tradition knüpft »Fallout« an. Im Unterschied zu den Spielen folgt die Handlung nicht einer Figur, sondern drei verschiedenen Charakteren. Ella Purnell verlässt als idealistische Heldin Lucy erstmals ihren Bunker, um sich auf die Suche nach ihrem entführten Vater (Kyle MacLachlan) zu begeben. Aaron Moten sieht als Knappe Maximus seine Chance gekommen, als er Rüstung und Rolle seines verstorbenen Meisters übernimmt. Seine eigenen undurchsichtigen Ziele verfolgt hingegen ein untoter ehemaliger Fernseh-Cowboy (Walton Goggins), der sich an die Fersen der beiden heftet. Im Lauf der ersten Staffel ergibt sich ein immer komplexeres Handlungsgeflecht. Rückblenden offenbaren alte Wunden und zeichnen den gesellschaftlichen Weg in die Apokalypse nach. Dieser erweiterte Referenzrahmen ermöglicht sogar eine amüsante Form der Politsatire auf Großkonzerne und Endzeit-Entrepreneure. Dennoch gehört zu den besonderen Stärken der Serie, dass sie die Balance zwischen satirischem Biss und neu verhandelter Held*innnereise zu halten versteht. Während der verspätete Western in Gestalt des Ghoul buchstäblich zerfällt, erfinden Lucy und Maximus die postapokalyptische Parabel neu. Damit schlägt »Fallout« einen ganz eigenen Weg ein, der noch einige reizvolle Etappen verspricht.

OV-Trailer

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