Fantasy Film Fest White Nights 2024
»Dream Scenario« (2023). © DCM
Nach dem Festival ist vor dem Festival: auch 2024 beginnt das Kinojahr für Freunde des fantastischen Films nicht nur mit einem Werk aus der Horrorschmiede von Blumhouse (»Night Swim«), sondern in sieben Großstädten mit den 'Fantasy Film Fest White Nights', die nach zweijähriger coronabedingter Pause seit dem vergangenen Jahr wieder stattfinden – zusätzlich zur achttägigen Hauptausgabe im September und den viertägigen 'Nights' im April. Auf dem Programm stehen erneut zehn Filme an zwei Tagen; gästemäßig ist das noch reduziert, aber immerhin stellen einige Regisseure ihren Filmen kurze Videogrußbotschaften voran.
So beendete Francis Galluppi vor »The Last Stop in Yuma County« sein Statement mit einem Dank an alle Beteiligten und vergaß nicht zu erwähnen, dass der Produzent sein Haus dafür verpfändet habe. Man kann nur hoffen, dass er es nicht verliert, der Film hat leider noch keinen deutschen Rechteinhaber. Die Geschichte spielt innerhalb weniger Stunden fast gänzlich an einem Ort, einer Tankstelle mit angeschlossenem Diner in der amerikanischen Provinz – einhundert Meilen von der nächsten Tankstelle entfernt. Da der erwartete Tanklastzug an diesem Tag Verspätung hat, werden Autofahrer mit nicht mehr genügend Benzin gezwungen, im Diner zu warten. Der erste ist ein schüchtern und harmlos wirkender Vertreter für Küchenmesser, doch bald darauf folgen zwei finster aussehende Männer. Wer an diesem Morgen die Radionachrichten gehört hat, kann die beiden anhand ihres Wagens identifizieren: sie haben gerade eine Bank ausgeraubt und sind jetzt auf dem Weg nach Mexiko. Langsam füllt sich das Diner mit anderen auf den Tanklastzug Wartenden, schließlich kommt es zur Eskalation, bei der plötzlich viele Revolver aufeinander gerichtet sind. Als sie losgehen, sind gleich mehrere Überraschungen fällig. Aber das ist noch nicht das Ende der Geschichte...
Die Hitze an diesem Ort macht der Film spürbar, langsam baut er seine Spannung auf und gibt dabei den Figuren Zeit, verschiedene Facetten zu zeigen.
Ähnlich klassisch in der Erzählweise funktioniert auch der argentinische »When Evil Lurks« von Demian Rugna. Zwei Brüder müssen entdecken, dass ein Nachbar von einem Dämon besessen ist und in seinem Bett, körperlich grotesk deformiert, vor sich hinsiecht. Dass man einen Dämonen nicht einfach beseitigen kann, indem man den von ihm Besessenen mit einem Schuss tötet, müssen die beiden bald erkennen. Dummerweise macht gerade Pedro dabei immer wieder Fehler; im Versuch, seine Familie zu schützen, zieht er sie gerade mit hinein, seine beiden Söhne ebenso wie seine Exfrau, ihren neuen Ehemann und deren gemeinsame Tochter. Der Dämon fährt immer wieder in andere Körper, macht deren Besitzer zu Mordwerkzeugen und lässt die Mordopfer als Dämonen wieder auferstehen, dabei auch vor Kindern nicht Halt machend. Mit fortschreitender Erzählung wird es zunehmend blutiger, aber nie exploitativ.
Genau das kann man allerdings dem spanischen »I'll crush you« von Kike Narcea vorwerfen. Der Versuch, nach Jahren im Gefängnis jetzt ein normales Leben zu führen, währt für den Ex-Boxer Tarado nicht lange. Der Tod seines Vaters und die Entdeckung eines Dossiers in dessen Nachlass weckt bei finsteren Gestalten Begehrlichkeiten, dieses in den eigenen Besitz zu bekommen. Dazu kommt noch Tarados Bruder Tinin, der gerade eine Gang bei einem Drogendeal reingelegt hat. So tauchen immer neue Leute vor der Tür auf, die von Tarado Auskunft und Unterlagen verlangen. Der Moment des Erstaunens (man kennt sich von früher) sorgt für kurze komische Einlagen, aber dann sprechen ausgiebig die Waffen. Dabei erweist sich der Protagonist als eine ähnliche Kampfmaschine wie Jason Statham in dem gerade in den Kinos laufenden »The Beekeeper«.
Fortsetzungen sind ja immer noch ein wichtiges Element im Genre, bei den Filmen des Fantasy Film Festes hat das allerdings abgenommen, dieses Mal gibt es mit »Alienoid: Return to the Future« eine Fortsetzung des südkoreanischen Science-Fiction-Films – anders als seinem Vorgänger aus dem Jahr 2022 will der deutsche Rechteinhaber ihm diesmal vielleicht sogar einen Kinostart spendieren.
Den hat der neue Film des Dänen Ole Boredal sicher (im Mai): »Nightwatch: Demons are forever« ist – nach 29 Jahren – die Fortführung seines Erfolgsfilms »Nattevagten« aus dem Jahr 1994 (von dem er 1997 noch ein Remake in den USA drehte). Weitgehend besetzt mit denselben Darstellern von damals (der damalige Hauptdarsteller Nikolai Coster-Waldau ist dank »Game of Thrones« ja inzwischen international bekannt) zeigt er auch, wie die Versäumnisse der Väter sich auf deren Kinder auswirken. Das war solide, aber (zumindest auf den ersten Blick) auch sehr stark gängigen Mustern verhaftet.
Wie damals Ole Bornedal, so hat es jetzt sein norwegischer Kollege Kristoffer Borgli schnell nach Hollywood geschafft und nach seinem Langfilmdebüt »Sick of myself« jetzt mit Nicolas Cage gedreht. Der gefällt nach seiner letztjährigen tour de force in »Sympathy for the Devil« in »Dream Scenario« in einer ganz gegensätzlichen Rolle: als sanfter, eher unauffäliiger College-Professor (mit Halbglatze), der plötzlich in den Träumen fremder Menschen auftaucht und dadurch zu einem Medienphänomen wird (Kinostart 21.3.).
An schrägen Filmen herrscht in diesem Programm kein Mangel: Quentin Dupieux gefällt sich einmal mehr in der Dehnung der Zeit, wenn er in »Daaaaaali!« eine junge Journalistin immer wieder daran scheitern lässt, ein Interview mit Salvador Dali zu führen – der Herr macht seinem Ruf als Exzentriker alle Ehre. Dass bei diesem Künstler der Film fortlaufend surrealer wird, war zu erwarten, wer seine Gemälde kennt, wird bestimmte Motive wiedererkennen. War dieser Film mit 78 Minuten auf den Punkt gebracht, so uferte der amerikanische »Hundreds of Beavers« mit 108 Minuten doch etwas aus. Man kann es ihm nachsehen, denn einen solch schrägen Film hat man lange nicht gesehen. Nachdem seine Anlage zum Brennen von Apfelschnaps durch seine Unvorsichtigkeit ein Opfer der Flammen wurde, sattelt Jean Kayak um auf die Pelzjagd – auch weil ihm die Tochter des Pelzhändlers schöne Augen macht, ihr Vater aber Unmengen von Fellen erwartet von einem zukünftigen Schwiegersohn. Immer neue Fallen muss sich Jean ausdenken, um dem gerecht zu werden. Die Menschen werden in diesem Film von Schauspielern verkörpert, der Rest sind Menschen in Biber- und Waschbärenkostümen sowie gezeichnete Elemente. Angesiedelt ist der schwarzweiße Film in einer animierten Schneelandschaft, die wenigen Dialoge sind so unverständlich wie in Chaplins ersten Tonfilmen, stattdessen gibt es Zwischentitel. Sehr, sehr schräg.
Fantasy Film Fest White Nights 2024, in Berlin und Hamburg bereits gelaufen; Frankfurt, Köln, Nürnberg, Stuttgart: 3./4. 2., München: 10./11.2.
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