Kritik zu Vermeer – Reise ins Licht
Der Maler des Lichts, der selbst im Dunkel bleibt: Suzanne Raes beobachtet die Entstehung einer einzigartigen Vermeer-Ausstellung im Amsterdamer Rijksmuseum, die die Faszination für Kunst spürbar macht
Wer je das strahlende Blau von Monets Seerosen im Original betrachtet hat, von der Strahlkraft im Werk des spanischen Impressionisten Joaquin Sorolla geblendet war oder die zigfachen Goldtöne Gustav Klimts in sich aufsog, weiß um die Ergriffenheit, die Kunst im Betrachter auslösen kann. Zweifelsohne gehört auch der Barockmaler Johannes Vermeer (1632–1675) zu dieser Kategorie. Mit 37 Werken ist sein Œuvre überschaubar, über sein Leben, seine Ausbildung ist kaum etwas bekannt. Es gibt kein Porträt von ihm, sich selbst hat er maximal in der Rückansicht gemalt. Er ist der Maler des Lichts, der selbst im Dunkel bleibt. Einzig seine Bilder verraten etwas über ihn.
Genau dieser Einzigartigkeit und der Faszination, die seine Werke auslösen, spürt die niederländische Filmemacherin Suzanne Raes in ihrer Dokumentation »Vermeer – Reise ins Licht« nach. Sie porträtiert die Entstehung der spektakulären Vermeer-Ausstellung im Amsterdamer Rijksmuseum, die im vergangenen Juni zu Ende gegangen ist. Mit recht konventionellen filmischen Mitteln folgt sie den Kuratoren, Restauratorinnen und Kunsthistorikerinnen und schafft es doch, einen neuen, betörenden Blick auf das Werk des Malers zu werfen und auf die wechselvolle Entstehungsgeschichte einer so bedeutenden Ausstellung.
Denn eine solche Schau zusammenzutragen, zu kuratieren, ist kein Handwerk, es ist ein kompliziertes Geschäft, das ein außerordentliches Fingerspitzengefühl und große Leidenschaft der Macher erfordert, wie Raes eindringlich zeigt. Beides bringt vor allem Gregor Weber, ehemaliger Leiter der Abteilung Bildende Kunst und Dekorative Kunst im Rijksmuseum, mit. Als kleiner Junge raubte ihm der Anblick eines Vermeers fast die Sprache, wie Raes ihn erzählen lässt. Und tatsächlich muss er dabei mit den Tränen kämpfen, ebenso wie der Maler, Historiker und Vermeer-Fanatiker Jonathan Janson. Was nach überladenem Kitsch und übermäßigem Pathos klingt, nimmt man diesen beiden Männern ebenso wie den vielen anderen Protagonistinnen und Protagonisten unbedingt ab.
Raes dokumentiert aber auch das zähe Verhandeln um Leihgaben aus New York, Washington oder Braunschweig. Das niedersächsische Museum will seinen Vermeer nicht hergeben, weil er Thema des Kunstabis ist. In den USA haben Stifter eine Ausleihe ausdrücklich verboten. Und dann sind da plötzlich noch neue Erkenntnisse von der National Gallery of Art in Washington, nach denen eines der Gemälde gar kein Vermeer ist.
Raes’ Dokumentation erzählt auch von den Lesarten des Künstlers, die jede Generation für sich entdeckt, die zeigt, wie Restauratorinnen durch Scannen und Röntgen Schicht für Schicht neue Erkenntnisse erlangen und wie Weber der ungewöhnlichen Malweise und vor allem der Strahlkraft des Lichts und der Farben auf die Spur kommt. »Vermeer – Reise ins Licht« ist nicht eines der üblichen Künstlerporträts oder Biopics, sondern ein Film für Liebhaber, die sich auf die Entdeckung der Faszination einlassen.
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