Kritik zu Was bin ich wert?
Die Frage nach dem Humankapital nimmt der Journalist und Filmautor Peter Scharf einmal ernst und reist mehrere Monate um die Welt, um in verschiedenen Ländern danach zu fahnden
Die Frage nach dem Wert des Menschen stellt sich manchmal ganz unvermittelt. Zum Beispiel, wenn man einen entzündeten Fuß hat und diesen operieren lässt, ohne nennenswerten Erfolg, aber mit hohen Kosten. Mit Krücken und dem festen Willen, herauszufinden, was den Menschen ausmacht, wie hoch sein Preis ist und welches Selbstwertgefühl damit einhergeht, zieht Peter Scharf los und spricht mit ganz unterschiedlichen Menschen. Auf der Straße, in Institutionen und auf offenem Feld. Von dem erschütternden Satz »Gar nichts bin ich wert« bis zum 10-Millionen-Dollar-Mann reichen die Antworten. Scharf spricht mit Organspendern aus Moldawien, die für lumpige 2300 Dollar eine Niere verkauften, mit einem Mann, der seinen Rücken als Leinwand auslieh und nun zweimal im Jahr im Museum sitzen muss, für immerhin 50 000 Dollar. Er lässt den chemischen Wert des menschlichen Körpers ausrechnen, der bei ca. 1200 € liegt, und fragt den Entschädigungsspezialisten, warum ein Feuerwehrmann weniger wert ist als ein Börsenmakler. Die nachwachsenden menschlichen Rohstoffe wie Blut, Samen und Haare sind natürlich zu höchst unterschiedlichen Preisen zu verkaufen. Den Wert des Menschen allerdings machen sie nicht aus. Der liegt, das ist das nachvollziehbare Ergebnis des Films, im Mittelwert aus all dem, bei 2,42 Millionen Euro. Das ist die Antwort, doch wie lautet, frei nach Douglas Adams, die Frage?
Zwischen Versicherungen und kriminellen Organisationen, großen Staatsunternehmen und dem kleinen Friseur, dem Arzt und dem Bestatter liegt der Wert des Menschen als große Unbekannte. Nach einer Idee von Jörn Klare, der zu der Frage ein Buch geschrieben hat, wird der monetäre Charakter der Existenz hier deutlich. Die Würde des Menschen ist sehr wohl antastbar, wenn es sich finanziell lohnt.
Peter Scharfs Film ist eine Mischform. Zum einen das Protokoll einer Recherche, einer ernsthaft anmutenden Suche, zum anderen der persönliche Erfahrungsbericht eines Journalisten mit schmerzenden Füßen, der immer wieder im Bild auftaucht, sich dumm stellt und den wunderbaren Gitarrensoundtrack auch noch selbst spielt. Hieraus entsteht der immer wieder auch hämische Witz, der sich wunderbar mit der Tragik Einzelner paart, ohne dass ein mulmiges Gefühl entstehen würde. Wenn Scharf von der Samenbank zum Echthaarhändler fährt und dann zum Nierenspender wider Willen, dann hat die böse Geschichte nichts von ihrer Wirkung eingebüßt, obwohl sie in einem komischen Umfeld erzählt wird. Was bin ich wert? deckt unter der offensichtlich unernsten Frage eine bedeutende Geschichte auf und ist dabei erschreckend politisch, sozioökonomisch brisant und immer wieder ungeheuer komisch. Bis zum Schluss der Kameramann kollabiert, der eigentlich Scharfs Fußoperation hatte filmen sollen.
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