ZDF-Mediathek: »Lu von Loser« Staffel 2
© ZDF/Thorsten Schönrade
Alice Gruia, bei »Lu von Loser« Autorin, Regisseurin, Produzentin und Protagonistin in Personalunion, hatte die Idee zu Lus Figur schon während ihrer ersten Schwangerschaft vor einigen Jahren. Aber erst Ende 2019, als sie ihr zweites Kind erwartete, konnte sie diese in die Tat umsetzen: Während der Corona-Pandemie, sichtbar schwanger, mit kleinem Team und fast ohne Geld, realisierte sie acht Episoden voll originellem Witz und schwarzem Humor, die mit Ästhetik und Tonalität experimentierten und von kurzen Tagtraumsequenzen durchzogen waren. Was Originalität angeht, ist Lu durchaus eine Schwester im Geiste von Phoebe Waller-Bridges »Fleabag«. Zwar dreht sich Lus Leben buchstäblich der Umstände wegen weniger um Sex, dafür thematisierte Gruia en passant Tabus wie postnatale Depression oder Mutterschaftszweifel. Erst in den letzten Drehtagen kam das ZDF und die Hamburger Produktionsfirma Letterbox mit ins Boot. Beide waren jetzt bei der Entwicklung der zweiten Staffel von Anfang an beteiligt, was unter anderem eine familienfreundliche Vier-Tage-Drehwoche ermöglichte.
In der zweiten Staffel treffen wir Lu zwei Jahre nach Geburt ihrer Tochter Berta wieder. Sie lebt noch immer in Köln, ist weiterhin eine erfolglose Musikerin und alleinerziehende Mutter, die ihr Leben so medium gut im Griff hat. Das liegt einerseits am Chaos, das ein Kleinkind in den Alltag bringt. Andererseits aber auch an der Beschissenheit der Dinge an sich. Nicht ganz unerheblich sind auch Lus Charakter und ihre lakonische Sicht auf die Welt. Kindsvater Timo (Jonas Baeck) und Lus Mutter (wunderbar verkörpert von Martina Eitner-Acheampong) nerven noch immer und Lu sieht sich mit einer nicht minder enervierenden Schar stereotyper Eltern, existenziellen Erziehungsfragen und ihrer für sie recht unerwarteten Mutterliebe konfrontiert. Erweitert wird das Ensemble durch die sympathisch-radikalfeministische Gitarrenschülerin Selma und Lus Love Interest Brett (Tacu).
Die einzelnen Episoden sind länger als noch in der ersten Staffel, wodurch sich die Narration besser entfalten kann. Inhaltlich glattgebügelt oder mainstreamiger ist die zweite Staffel trotzdem nicht, da ist sich Gruia, die mit ihrer eigenen Produktionsfirma Darling Point beteiligt war, treu geblieben. Auch am Dialogwitz und der absurden Komik hat sich nichts geändert, allein Lus Tagträume kommen exaltierter zur Geltung. Beispielsweise wenn ihre Langeweile auf dem Spielplatz in einer Musical-Performance eskaliert oder die Sexfantasie mit einem Physiotherapeuten in den Tagtraum eines umjubelten Konzerts im Madison Square Garden integriert wird.
Highlights sind weiterhin ihre inneren Monologe: Ob sie ihre mangelnde Flirtfähigkeit bei einem »Date« im Jobcenter live kommentiert oder sich von ihrer inneren Stimme als Helikoptermutter wüst beschimpfen lässt – Timing und Humor sitzen. Das liegt an Gruias spitzer Feder und Figurenzeichnung, aber auch an ihrem schauspielerisch-komödiantischen Talent. Eine Episode ist so mutig, das Komödiengenre gar ganz zu verlassen. Empathisch und berührend rückt diese die kleine Lu in den Mittelpunkt, bravourös gespielt von Gruias Tochter Josephine.
»Lu von Loser« ist insgesamt eine Art Family Business. Tochter Berta wird von Gruias jüngster Tochter Bonnie gespielt, was die Vertrautheit in den gemeinsamen Szenen besonders authentisch macht. Gruias Partner Tom Ashforth zeichnet für die Musik verantwortlich und hat Lu unter anderem einen wunderbar melancholischen Song auf den Leib geschrieben, der sich als musikalisches Leitmotiv durch die zweite Staffel zieht. Dieser gelungene Soundtrack, der pointierte Witz und die Art, wie Lu Probleme und Hindernisse meistert oder wiederholt an ihnen scheitert, etablieren sie auch in der zweiten Staffel als coole, aber ungewöhnliche Heldin, von der wir unbedingt noch mehr sehen wollen.
Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns