Amazon: »Dead Ringers«

»Dead Ringers« (Serie, 2023). © Amazon Studios

© Amazon Studios

Körperrealität statt Körperhorror

Schon als Jugendliche, so gab Rachel Weisz kürzlich gegenüber einem US-Magazin zu Protokoll, habe sie David Cronenbergs Film »Die Unzertrennlichen« (im Original: »Dead Ringers«) gesehen. Die Geschichte habe sie ihr Leben lang nicht losgelassen: »Dieses Level von Unzertrennlichkeit, dieser Gedanke, alles zu teilen. Ein Zwillingspaar, das im Job brillant, aber privat letztlich vollkommen dysfunktional ist. Das hat mich enorm fasziniert.«

Dass das von ihr persönlich angestoßene und mitentwickelte Remake in Serienform nun eine ganze Ecke spannender ist als andere Eighties-Updates wie kürzlich »American Gigolo« oder aktuell »Eine verhängnisvolle Affäre« liegt nicht nur, aber auch an einem simplen Kniff. Anders als damals bei Cronenberg sind die eineiigen Zwillinge im Zentrum der Geschichte dieses Mal – obwohl immer noch mit den Namen Elliott und Beverly Mantle – nicht männlich, sondern zwei Frauen. Und natürlich hat sich Weisz diese komplexe Doppelrolle nicht entgehen lassen.

Die beiden Schwestern arbeiten gemeinsam in einer Geburtsklinik und teilen sich nicht nur eine Wohnung samt Haushälterin (Poppy Liu), sondern mitunter auch die Aufgaben im Job. Ist die eine mal von einer Patientinnensituation überfordert, reichen eine kurze Textnachricht und ein heimliches Treffen auf der Toilette, und man tauscht kurzerhand die Rollen. Dabei könnten die Persönlichkeiten der beiden kaum unterschiedlicher sein. Elliot ist impulsiv und extrovertiert, während Beverly zurückhaltend, bedacht und fast ein wenig verklemmt ist.

Auf die Probe gestellt wird das eigenwillig enge Verhältnis der beiden, als sie endlich ihren Traum vom eigenen Geburtszentrum samt embryologischem Labor Wirklichkeit werden lassen wollen. Sie haben nicht unbedingt die gleichen Pläne dafür, müssen aber gemeinsam eine potenzielle Geldgeberin (herrlich knallhart: Jennifer Ehle) um Investitionen anbaggern. Aber mehr noch als das ist es die verführerische und von Beverly angebetete Schauspielerin Geneviève (Britne Olford), die plötzlich zwischen den Zwillingen steht.

Immer wieder zollt »Dead Ringers« seiner Vorlage Respekt, und sei es nur durch Kleinigkeiten wie der namentlichen Referenz an Cronenbergs Schauspielerin Geneviève Bujold. Doch Showrunnerin Alice Birch und ihr rein weiblicher Writers' Room verschieben leicht die Gewichtung, ein bisschen weg von Erotik und Thriller und hin zu mehr fiesem Humor und weiblicher Widerspenstigkeit.

Man könnte auch sagen: eher »Body Reality« als »Body Horror«, denn was Körperteile und ihre Funktionen angeht, ist »Dead Ringers« verbal wie visuell reichlich unverblümt. In Zeiten, in denen nicht zuletzt in den USA so stark wie lange nicht eine männlich dominierte Politik versucht, unter anderem in Abtreibungs- oder Transitionsfragen auf verschiedenste Art die Hoheit über weibliche Körper zu bekommen, verleiht das der sechsteiligen Serie eine ganz besondere Wirkung. Was nicht heißt, dass sie mit ihrer stilbewussten Bildgestaltung und Rachel Weisz in absoluter Bestform nicht auch einfach auf abgründige Weise Spaß macht.

OV-Trailer

Meinung zum Thema

Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns

Mit dieser Frage versuchen wir sicherzustellen, dass kein Computer dieses Formular abschickt