ZDF-Mediathek: »Riding in Darkness«
»Riding in Darkness« (Serie, 2022). © ZDF/Niklas Maupoix
Vielleicht hätte das ZDF den mit schwedischen Partnern koproduzierten Achtteiler »Riding in Darkness« nicht als »True Crime«-Serie ankündigen sollen. Denn dieses Etikett ist durch unzählige spekulative Genrebeiträge billigeren Niveaus diskreditiert. »Riding in Darkness« folgt Erlebnissen von Sophie Jahn, die auf einem Reiterhof aufwuchs und dort, wie junge Mitarbeiterinnen, seitens ihres Vaters physischer und psychischer Gewalt ausgesetzt war.
Der schwedische Autor Ulf Kvensler hat diese Biografie für das Fernsehen adaptiert. Schnell zeigt sich, dass ihm nicht an einer detaillierten Nachstellung der Verbrechen gelegen ist. Sie werden nur so weit ins Bild gerückt, wie das inhaltliche Verständnis es erfordert.
Die eigentliche Frage, die Kvensler und die Regisseurinnen Molly Hartleb und Julia Lindström subtil verhandeln, lautet: Wie kann ein Pferdezüchter und Reitlehrer – im Film heißt er Tommy (Jonas Karlsson) –, eine regional öffentliche Person also, über Jahrzehnte hinweg Frau, Kinder und Angestellte missbrauchen, ohne dass Eltern und andere Besucher aufmerksam werden?
Die Geschichte entfaltet sich auf mehreren Zeitebenen, beginnend 1991. Die minderjährige Molly (Saga Samuelsson) nimmt mit großen Hoffnungen ihre Arbeit auf einem Reiterhof auf. Für sie ist es auch eine Flucht vor der trunksüchtigen Mutter und ihren häufig wechselnden Männerbekanntschaften. Molly pflegt Pferde, darf an Springwettbewerben teilnehmen, siegt und genießt deshalb Tommys Wohlwollen. Auch hat sie ein gutes Verhältnis zu dessen Töchtern Victoria und Agnes.
Doch Mollys Freude hält nicht lange an. Den Reiterinnen wird verboten, mit anderen zu reden. Tommy drängt sich ihnen als Masseur auf, eine Kollegin verschwindet vom Hof. Sie soll gestohlen haben. Mit den schnöden Worten »Da musst du jetzt durch« wird Molly von Tommy vergewaltigt.
Ein Zeitsprung macht mit der erwachsenen Victoria (Hanna Ardéhn) bekannt. Sie betritt eine Polizeidienststelle, um ihren Vater anzuzeigen.
Als Exposition spannend genug, um der Geschichte acht Episoden lang zu folgen. Auch der vielfältigen Brüche wegen. Der kontrollsüchtige Tommy hat durchaus liebevolle und charmante Seiten. Neben dem Prestige des Unternehmers einer der Gründe, warum er in der Gemeinde als glaubwürdig gilt, mehr als die angeblich rach- und eifersüchtigen Mädchen, deren Vorwürfe er lächerlich macht, sekundiert von Ehefrau Lotta (Malin Persson). Weiß sie nichts von den Taten ihres Mannes, will sie nichts wissen?
Das lokale Umfeld ist Teil der Geschichte. Als die Zustände auf dem so idyllisch wirkenden Reiterhof die Runde machen, halten viele weiterhin unbeirrt zu Tommy. Eine bittere Erfahrung für die Mädchen, die so mutig waren, an die Öffentlichkeit zu gehen, und Unterstützung bräuchten. »Riding in Darkness« erzählt nicht einfach eine Episode aus der schwedischen Verbrechensgeschichte. Die Serie lässt sich als kritische, dabei von didaktischen Obertönen freie Gesellschaftsstudie auffassen – Tommy ist keineswegs der Einzige, der sich falsch verhält.
OV-Trailer
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