Kritik zu The Son
Florian Zellers Nachfolgefilm zu »The Father« ist ein vielschichtiges Familiendrama über einen depressiven Jugendlichen und die Hilflosigkeit eines verzweifelten Vaters – mit einem großartigen Hugh Jackman in der Hauptrolle
Ziemlich am Ende sagt der Psychiater den entscheidenden Satz: »Liebe allein reicht nicht immer.« Manchmal sollte, ja muss es die Vernunft sein, die Entscheidungen leitet. Es ist die Liebe der geschiedenen Eltern Peter (Hugh Jackman) und Kate (Laura Dern), die ihren Sohn am Ende nicht retten kann. Und es zerreißt wohl jedem das Herz. Wie so viele Szenen in »The Son«, der zweiten eigenen Bühnenadaption des französischen Dramatikers Florian Zeller nach seinem oscarprämierten »The Father«. Darin erzählt er von der Macht- und Hilflosigkeit eines Vaters, der alles viel besser machen will als der eigene.
In einem Moment großer Geborgenheit, als Peter seine Lebensgefährtin Beth (Vanessa Kirby) und das gemeinsame Baby beim Wiegenlied beobachtet, klingelt es plötzlich an der Tür. Völlig aufgelöst steht Ex-Frau Kate dort und erzählt verzweifelt, dass sie mit dem gemeinsamen 17-jährigen Sohn Nicholas (Zen McGrath) nicht mehr zurechtkommt. Es sind nicht nur das Schuleschwänzen und die Verschlossenheit des Jungen. »Er macht mir Angst«, sagt sie. Das Wort Depression fällt da noch lange nicht, wie überhaupt selten in diesem einfühlsamen wie erschütternden Familiendrama.
Peter beschließt, Nicholas bei sich wohnen zu lassen, auch aus schlechtem Gewissen, weil er die Familie verlassen hat. Und weil er es besser machen will als sein kaltherziger Vater (Anthony Hopkins).
Scheinbar tut der Tapetenwechsel dem Jungen gut. Dazu trägt auch die Lebensfreude der unvoreingenommenen und dadurch sachlicheren Beth bei. Peter, der erfolgreiche New Yorker Anwalt, steckt sogar seine politischen Ambitionen zurück, um für seinen Sohn da zu sein. Doch dann wird klar, dass ihm das kaum gelingen wird. Die Jagdwaffe hinter der Waschmaschine als ominöses Anzeichen hätte es da gar nicht gebraucht – und ist dennoch ein gelungener dramatischer Kniff. Auch wenn eine Rettung des Jungen hoffnungslos ist, lässt Zeller diese doch immer wieder möglich erscheinen.
Die noble Loftwohnung scheint zunächst ein glücksbringender Zufluchtsort zu sein und wird dann tragischer Schicksalsort, eine Ambivalenz, die an vielen Stellen aufkeimt. Eindeutigkeit und einfache Antworten lässt Zeller nicht zu. War die Kindheit von Nicholas zusammen mit den Eltern tatsächlich so glücklich, wie Rückblenden glauben machen wollen? War die Beziehung von Vater und Sohn einmal so innig? Was führte zu der Trennung der Eltern? Und warum verfolgt Peter den Verlauf von Nicholas' Therapie nicht genauer, als er die Probleme endlich erkennt?
Es ist wohl diese Hilflosigkeit, der Wunsch, immer das Richtige zu tun, die Peter mal in Aktionismus, mal in Verzweiflung verfallen lässt. Jackman gibt diesen Peter so stark strahlend und zart-verletzlich zugleich, dass man sich seiner Zerrissenheit nicht entziehen kann. Laura Dern als verlassene Frau und Mutter, Vanessa Kirby als mitfühlende, pragmatische junge Frau und Zen McGrath als zutiefst verzweifelter Jugendlicher ergänzen das großartige Ensemble.
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