Kritik zu Noch einmal, June

© Happy Entertainment

2020
Original-Titel: 
June Again
Filmstart in Deutschland: 
17.02.2022
L: 
99 Min
FSK: 
Ohne Angabe

Der in Neuseeland geborene Regisseur JJ Winlove präsentiert ein ­Feelgoodmovie über eine Demenzkranke, die in einer kurzen Phase der Klarheit die Familie wieder zusammenführt

Bewertung: 2
Leserbewertung
0
Noch keine Bewertungen vorhanden

Es ist ein tröstlicher Gedanke, ein von vielen gehegter Wunsch, vor dem Tod noch Missverständnisse auszuräumen, geliebte Menschen ein letztes Mal zu treffen, Dinge zu regeln. Märchenhaft und ein beliebter Filmstoff ist es, gar nach dem Tod noch einmal für kurze Zeit zurückzukehren, um Versäumtes nachzuholen. Die Heldin in JJ Winloves Dramakomödie »Noch einmal, June« lebt zwar noch, ist mit ihrer schweren Demenz aber für niemanden mehr erreichbar. Doch plötzlich tritt eine Phase der absoluten Klarheit ein, und June (Noni Hazlehurst) büxt aus dem Pflegeheim aus, um in ihr altes Leben zurückzukehren. Aber natürlich ist nach fünf Jahren nichts mehr so, wie es vor der durch mehrere Schlaganfälle ausgelösten vaskulären Demenz war.

Ihr Haus ist verkauft, trotzdem bedient sie sich nassforsch an dem Kleiderschrank der neuen Besitzerin. Der Sohn ist geschieden und hat sein Architekturstudium geschmissen, die Geschwister sind zerstritten, das Familienunternehmen heruntergewirtschaftet, ein Enkel ist nach einem tragischen Unfall körperlich beeinträchtigt. Und dann ist da noch eine kurze, leidenschaftliche Liebe, der June als junge Frau keine Chance gegeben hat und an die sie sich nun wieder erinnert. Ganz normale Familienprobleme also und doch ein bisschen viel. Für die dominante bis tyrannische Matriarchin June allemal. Sie ist es gewohnt, die Dinge nach ihren Vorstellungen zu regeln – was ihr in großen oder vielmehr den wichtigsten Teilen auch gelingt: Sie bringt die Familie wieder zusammen.

Mit liebevollem Blick zeichnet Winlove seine Figuren: die resolute June, eindrücklich wie komisch von dem australischen Star Hazlehurst gespielt, die sensible Tochter Ginny (Claudia Karvan), die unter der Mutter immer gelitten hat und sie dennoch liebt, stets um deren Anerkennung gekämpft hat, ein Sohn (Stephen Curry), der ebenso wenig die Erwartungen der Mutter erfüllt, ein liebenswerter Teenagerenkel, der trotz seines verkrüppelten Beins lebensfroh und offen ist. Das alles taucht Winlove in die warmen, schmeichelnden Farben des australischen Sommers, setzt ganz auf gute Laune und Komik und fokussiert auf die Absurditäten des Alltags. Wohlwollend milde stattet er June aus, die sich ungefragt in das Leben anderer einmischt und sich das nimmt, von dem sie meint, dass es ihr zusteht. Winlove gelingt es, davon mit einer Leichtigkeit zu erzählen, die die Verletzungen, die ein solches Verhalten auch zufügen, in den Hintergrund schiebt.

Dem Regisseur geht es um die Bedeutung von Erinnerung im Kontext des Individuums ebenso wie in Familienkonstellationen. Dass er dafür eine demenzkranke Frau wählt, die für kurze Zeit dem Vergessen und Nichterinnern entkommt, mag all jene, die Menschen an die zerstörerische Krankheit verloren haben, auch irritieren. Winlove hätte eine märchenhafte, trostspendende Erzählung schaffen können, »Noch einmal, June« aber gleitet etwas zu oft in vorhersehbare Bahnen ab und endet als wiederum allzu versöhnliches Feelgoodmovie, das dem Thema nicht ganz gerecht wird.

Meinung zum Thema

Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns

Mit dieser Frage versuchen wir sicherzustellen, dass kein Computer dieses Formular abschickt