Kritik zu Gold – Du kannst mehr als du denkst
Michael Hammon begleitete für seinen Dokumentarfilm drei Spitzensportler bei ihren Vorbereitungen für die Paralympics in London
Eine dünne Schnur verbindet die beiden Läufer, die im Gleichschritt durch die Savanne Kenias laufen. Es ist ein fast schon kitschiges Bild des Einklangs, das hier von dem Marathonläufer Henry Wanyoike eingefangen wurde – des Einklangs mit sich, der Natur und dem Führer, der den erblindeten Sportler bei seinen Trainingsrunden und Wettkämpfen begleitet. Diesen Einklang zu finden, hat vielleicht mehr Kraft gekostet als all die Medaillen, die der Spitzensportler erworben hat. Wanyoike war 21, als er nach einem Schlaganfall aufwachte und nichts mehr sehen konnte. Er verfiel in tiefe Depression, weigerte sich rauszugehen und musste schließlich sogar zwangsernährt werden – bis er lernte, mit seiner Behinderung umzugehen und Wettkampfläufer wurde.
Die Erfolgsgeschichten, die Hammon in seiner Dokumentation über drei behinderte Spitzensportler zusammenführt, erzählen nicht nur von den Siegen in der Arena, sondern auch vom Sieg über den Defätismus. Der australische Rennrollstuhlfahrer Kurt Fearnley scheint davon allerdings vollkommen unberührt. Der Farmersohn ist ohne Beine geboren und hat sich durch das Handicap von nichts abhalten lassen. Sein Körper strahlt eine ungeheure Kraft und Energie aus. Wenn er auf Händen über das Weideland seiner Eltern geht, Zäune überquert und durch den Bach robbt, dann tut er dies mit einer beeindruckenden körperlichen Souveränität. Der Sport ist für ihn wie die Institutionalisierung dieses Lebensgefühls, sich von der Behinderung nicht beeinträchtigen zu lassen. Diese Einstellung musste sich die Schwimmerin Kirsten Bruhn erst mühsam erkämpfen. Sie war schon Leistungssportlerin, als sie nach einem Motorradunfall durch eine Querschnittslähmung aus ihrer bisherigen Existenz gerissen wurde. Sie fand nur langsam den Weg zum Sport zurück. Nun gibt das Schwimmen ihrem Leben Struktur, Erfolgserlebnisse und Anerkennung. Dass ausgerechnet die Behinderung ihr zum ersehnten sportlichen Triumph von vier Weltmeistertiteln und dreifachem olympischen Gold verholfen hat, stellt sie mit einer gewissen Melancholie fest, die sie trotz der zahlreichen Siege nicht gänzlich verlassen hat.
Es sind diese Zwischentöne, die über die vordergründigen Erfolgsgeschichten hinausgehen, die Hammons Dokumentation auszeichnen. Auf der einen Seite feiert der Film, der die Sportler ein Jahr lang bei der Vorbereitung auf die Paralympics in London begleitet, den sportlichen Ehrgeiz der Athleten. Auf der anderen Seite zeichnet er differenzierte Porträts dreier Menschen, die auf sehr unterschiedliche Weise gelernt haben mit ihrer Behinderung umzugehen. Dabei vermittelt sich eine Haltung, die auch jenseits des Kontextes körperlicher Behinderung interessant ist und die Akzeptanz eigener Grenzen mit dem Willen verbindet, innerhalb der limitierten Möglichkeiten das Maximum an Lebensfreude herauszuholen.
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