DVD-Tipp: »Tezuka's Barbara«
»Tezuka's Barbara« (2019). © Rapid Eye Movies
Yosuke Mikura ist ein gefeierter Verfasser von erotischer und Trivialliteratur, der davon träumt, ein veritabler Dichter zu werden. Als ihm eines Abends eine verwahrloste junge Frau mit erdbeerblonden Haaren auffällt, die betrunken in einer Unterführung liegt und Verlaine zitiert, nimmt er sie mit zu sich nach Hause. Barbara, wie sie sich nennt, fordert ihn in vielfacher Weise heraus: Sie verspottet seine Texte, sie säuft seinen teuersten Whisky, sie hüpft mit ihren roten Stiefeln auf seinem Bett herum; schließlich zieht sie ihn in einen sexuellen Rausch, und gemeinsam spielen sie das Spiel der gesellschaftlichen Außenseiter, die das Spiel der Gesellschaft durchschaut haben und nicht mehr mitspielen. Freilich geht das auf die Dauer nicht gut, zumal es sich bei Barbara womöglich tatsächlich um eine echte Muse handelt, Mikura sich mithin mit Mächten außerhalb seiner Kontrolle eingelassen hat.
Mit »Tezuka's Barbara« hat Macoto Tezuka einen 1973 veröffentlichten Comicroman für Erwachsene seines legendären Vaters Osamu Tezuka (1928–1989) als Realfilm adaptiert. Osamu, in Japan als »Manga no Kami-sama« (»Gott des Manga«) apostrophiert, hat unter anderem mit »Astro Boy« und »Kimba, der weiße Löwe« Meilensteine des Genres geschaffen und wirft einen langen Schatten. Aus dem der 1961 geborene Macoto sich früh schon als eigenständiger visueller Künstler, Regisseur, Produzent und Hochschullehrer emanzipiert hat. Der in Richtung des literar-musikal-filmischen Stoffgeflechts der Hoffmann'schen Erzählungen vielfach ausgreifenden Vorlage des Vaters nähert der Sohn sich mit cooler Geste und gemächlicher Geschwindigkeit. Ein Jazz-Score in bester Bebop-Tradition von Ichiko Hashimoto begleitet Melancholie atmende Bilder, die der große Kameramann Christopher Doyle in Kollaboration mit Tsoi Kubbie immer wieder auch direkt aus dem Tokyoter Straßenalltag schöpft. Unterkühlte Eleganz und angeschmutzte Wirklichkeit stehen schroff gegeneinander; ineinander hingegen fließen Artifizialität und Sinnlichkeit. Und ergeben schließlich einen so seltsamen wie reizvollen Film.
VÖ: 23. Juli 2021
Tezuka's Barbara Japan 2019 R: Macoto Tezuka. Da: Gorô Inagaki, Fumi Nikaidô, Kiyohiko Shibukawa, Shizuka Ishibashi. Anbieter: Rapid Eye Movies.
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