Interview: Rose Byrne über ihre Rolle in »Physical«
Rose Byrne in »Physical« (Serie, 2021). © Apple TV+
Die 1979 in Balmain, Australien geborene Schauspielerin spielte in Dramen (»The Goddess of 1967« – Byrne bekam dafür 2000 die Coppa Volpi auf den Festival in Venedig), Franchises (»Star Wars: Episode II – Angriff der Klonkrieger«), Horrorfilmen (»28 Weeks Later«) und Serien (»Damages«), bis sie 2011 schließlich als perfektes komödiantisches Gegenüber zu Kristen Wiig in »Brautalarm« groß herauskam
Miss Byrne, »Physical« lässt sich nicht in gängige Schubladen stecken. War es diese Sperrigkeit irgendwo zwischen Comedy und Drama, die Sie an dem Projekt besonders interessierte?
Rose Byrne: Zunächst sprach mich dieses sehr spezifische Setting an, Südkalifornien im Jahr 1980. Diese Geschichte und die Frau, die ich daran spiele, sind untrennbar mit genau dieser Zeit und diesem Ort verbunden, was ich immer eine spannende Ausgangslage finde. Aber in der Tat begeisterte mich dann der sehr spezielle Tonfall, den die Drehbücher anschlugen. Und die Rolle selbst, denn eine derart komplexe Frau wie Sheila kreuzt als Schauspielerin eher selten deinen Weg.
Wie würden Sie den Tonfall beschreiben?
Annie Weisman, Schöpferin der Serie, zieht dem Publikum immer wieder den Boden unter den Füßen weg. Jedes Mal, wenn man denkt, dass man genau weiß, was als Nächstes passiert, kommt es dann doch ganz anders. Und weil ihr Humor so düster und abgründig ist, gelingt es ihr sogar, dass man selbst im Kontext dieser wirklich ernsten Themen lachen muss.
Würden Sie Sheila als Antiheldin bezeichnen?
Ganz falsch ist das nicht. Sie macht es einem nicht leicht. Der Humor in »Physical« ist düsterer als der, mit dem ich es in »Brautalarm« oder »Spy« zu tun hatte, und entsprechend abgründiger ist die Figur. Eine Frau wie Sheila war noch vor ein paar Jahren undenkbar als Protagonistin einer Serie. Man leidet zwar mit ihr, aber uneingeschränkt sympathisch ist Sheila nie, auch nicht in ihrer Krankheit.
Sheila leidet an Bulimie, ihr Selbstbewusstsein und ihre Selbstwahrnehmung sind alles andere als gesund...
Ich fand es gleichermaßen faszinierend wie herzzerreißend, Sheilas Selbstzerstörung mitzuerleben, denn normalerweise wird so etwas als nach außen gerichteter Nervenzusammenbruch inszeniert. Doch wir sind ja selbst oft unser größter Feind und richten unsere Aggression nach innen, gegen uns selbst. Wenn jemand sich permanent selbst fertigmacht und schlecht redet oder ein fürchterlich gestörtes Verhältnis zum Essen hat, kriegen das Umstehende häufig gar nicht mit. Und in Film und Fernsehen werden diese Krankheiten selten tiefgehend verhandelt, weil sie einerseits als Frauenthemen abgetan werden und andererseits unglaublich schambesetzt sind. Außerdem sind eben solche innerlichen Prozesse schwer darzustellen.
Zuletzt spielten Sie Gloria Steinem in der Serie »Mrs. America«; ist nun Sheilas Werdegang in »Physical« nicht auch ein Ergebnis dessen, wofür die Feministinnen vor ihr gekämpft haben?
Diese Verbindung habe ich auch hergestellt. Tatsächlich könnte man »Physical« als eine Art Begleitstück zu »Mrs. America« sehen. Oder als Fortsetzung, schließlich endete die Serie 1980, wo wir nun Sheila erstmals begegnen. Sheilas Geschichte ist auch die einer Ernüchterung darüber, dass die Teilnahme an Feminismus-Demonstrationen noch lange nicht Gleichberechtigung im gelebten Alltag bedeutete. In der beginnenden Reagan-Ära der Achtziger weht ein ganz anderer Wind.
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