Netflix: »Pretend It's A City«

»Pretend It's A City « (Miniserie, 2020). © Netflix

»Pretend It's A City « (Miniserie, 2020). © Netflix

Sie hasst New York

Kaum hat Fran Lebowitz eine ihrer knochentrockenen Pointen abgefeuert, bricht ihr Gesprächspartner, Martin Scorsese, in schallendes Lachen aus. Ein Lachen, das ansteckend ist. Man erwartet bei einer siebenteiligen Serie über die Stadt New York nicht unbedingt Humoriges. Doch Fran Lebowitz kann gar nicht anders. Die Art und Weise, wie sie mit sich und ihrer Wahlheimat New York umgeht, ist von einem Witz geprägt, den man einmal jüdisch nannte und den es bei uns seit 1933 nicht mehr gibt.

Ein harter, unbarmherziger und vor allem schlagfertiger Witz, der das Fundament der Filme von Woody Allen bildet, und vor allem in New York zu Hause ist. »Ich hasse New York«, sagt Fran Lebowitz mit großer Überzeugungskraft, »ich hasse die Menschen, die Häuser und die Straßen. Aber sagen Sie mir einen Ort, an dem man besser leben kann, und ich ziehe sofort dorthin.« Sie sei nicht wegen der Sicherheit und der Sauberkeit nach New York gekommen, sagt sie, sie kam schließlich aus einem sicheren, sauberen Ort in New Jersey. Sie habe das Aufregende gesucht und finde es immer noch. Und das obwohl ihr Bücher heute wichtiger sind als Menschen. Selten lacht sie über ihre eigenen Bonmots, lächelt allenfalls und streicht sich die mit 70 Jahren immer noch dunklen Locken aus dem Gesicht. Was nicht bedeutet, dass Fran Lebowitz nicht auch ernst werden kann. Selbst ihr fehlten die Worte, als einmal jemand sagte: »Don't they tell you that in Jew York?« Ja, sie begegne einem unterschwelligen Antisemitismus, erzählt sie, auch in New York, aber wo begegnet man dem nicht? 

Wenn sie nicht gemeinsam auf der Bühne sitzen oder in einem Corona-bedingt leeren Lieblingsrestaurant, läuft Scorsese mit der Kamera hinter Fran Lebowitz her, in ihrer Uniform aus Blazer, Herrenhemd mit Manschettenknöpfen, Jeans und Cowboystiefeln. Dann ist sie still und lässt die Stadt selbst sprechen. So sah sie immer schon aus, das belegen die Archivaufnahmen aus den sechziger Jahren, als Fran Lebowitz für Andy Warhols »Interview« arbeitete. »Er mochte mich nicht«, erzählt sie, »und ich ihn auch nicht. Das war unsere Arbeitsgrundlage.« Leider habe sie ihre Original-Warhols ein paar Tage vor seinem Tod verkauft. Danach seien sie doppelt so viel wert gewesen. 

Quer durch New York wandert sie bis zu dem überdimensionalen Stadtmodell, das zur Weltausstellung angefertigt wurde und sich jetzt in einem Museum in Queens befindet. Da tippelt sie dann vorsichtig den Hudson entlang, wie die furchtlose, aber dis­tanzierte Göttin der Stadt. Man wird wenig wirklich Neues über New York erfahren in dieser Serie, aber unglaublich viel von Fran Lebowitz. Ihr Buch »Metropolitan Life« von 1978 wurde zum Blueprint für alle feuilletonistischen Stadtbetrachtungen. Heute schreibt sie nur noch wenig. »Seit ich dafür bezahlt werde, mag ich es nicht mehr«, sagt sie und grinst. Sie geht lieber auf Partys, reist und hält Vorträge. Denn ihr zuzuhören, das ist jeden Penny wert.

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