Streaming-Tipp: »Industry«

»Industry« (Staffel 1, 2020). © HBO

»Industry« (Staffel 1, 2020). © HBO

Money talks

Ehrgeizige junge Banker, die zu wenig schlafen, zu viel feiern und sich in Sachen Skrupellosigkeit an den Vorgesetzten orientieren – das hatten wir in Deutschland schon bei »Bad Banks«. Nun ziehen die beiden britischen Autoren Mickey Down und Konrad Kay nach, die ihre berufliche Laufbahn selbst mal im Finanzwesen begonnen haben und mit der BBC/HBO-Koproduktion »Industry« ihre erste eigene Serie präsentieren.

Sie konzentrieren sich auf eine Gruppe junger Uni-Absolventen, die alle frisch bei der Londoner Investmentbank Pierpoint & Co. anheuern – und sich dort nun beweisen müssen. Die Afroamerikanerin Harper (Myha'la Herrold), die bei ihrer Bewerbung nicht mit offenen Karten gespielt hat und in ihrem Vorgesetzten Eric (Ken Leung) einen strengen Mentor findet, erlebt einen Culture-Clash weniger wegen ihrer Hautfarbe als wegen ihrer amerikanischen Herkunft. Ein paar Tische weiter, allerdings für ­»Foreign Exchange« statt »Cross Product Sales« zuständig, sitzt die aus wohlhabendem Elternhaus stammende Yasmin (Marisa Abela), die vor allem zum Kaffeeholen abkommandiert wird. Außerdem sind da noch Robert (Harry Lawtey), der zwar in Oxford studiert hat, aber seine Arbeiterklasseherkunft nicht verbergen kann, und sei es auch nur in der Wahl seiner Anzüge – und Gus (David Jonsson), schwarz und schwul und seinerseits ausgebildet an den Elite-Unis des Landes. Eigentlich setzt er auf makelloses Strebertum, wird aber aus der Fassung gebracht, als seine Affäre mit einem ehemaligen Kommilitonen und jetzigen Kollegen aufflammt, auf den zu Hause eine Frau wartet.

Was diese Protagonisten zwischen Business-Dinner und Sex-Date, Koks und Energy-Drinks in Sachen Erniedrigung und Millionendeals erleben, ist heftig und – wie gleich ein tragischer Vorfall in der ersten Episode zeigt – durchaus dramaturgisch zugespitzt. Die Spannung von »Bad Banks« kommt entsprechend nicht unbedingt auf, doch lauert auch nicht an jeder Ecke die Gefahr der maßlosen Übertreibung. Gleichzeitig ist »Industry«aber auch nie so unrealistisch wie »Suits« oder so seifenoperettig wie »Grey's Anatomy«, um mal zwei andere sogenannte Workplace-Serien heranzuziehen. 

Womit die vergleichsweise ruhig erzählte erste Staffel besticht, ist anderes: ein tolles Ensemble, das selbst schwächere Dialoge gut verkaufen kann, und ein cooler, aber zurückhaltend-atmosphärischer Look. Diesen Look und den prominenten Einsatz von Sex und Nacktheit etabliert bereits in der Pilotfolge Regisseurin Lena Dunham, die anschließend von Tinge Krishnan, Ed Lilly und Bill Nighys Tochter Mary Nighy abgelöst wird. Mindestens ebenso wichtig wie das oft bewusst unverständliche beziehungsweise wenig erklärte Finanzvokabular ist der fantastische Electro-Score des Wahl-Berliners Nathan ­Micay. Eine zweite Staffel ist erfreulicherweise bereits bestellt!

OV-Trailer

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