Kritik zu Nina Wu
Von Erfolg und Ausbeutung: In diesem taiwanesischen Film geht es nicht nur um die Vergewaltigung einer Schauspielerin, sondern um eine Filmindustrie, die Frauen auf vielen verschiedenen Ebenen Gewalt antut. Hauptdarstellerin Wu Ke-Xi hat das von eigenen Erfahrungen geprägte Drehbuch geschrieben
Mit Regisseur Midi Z arbeitet die Schauspielerin Wu Ke-Xi schon zum vierten Mal zusammen. In bisherigen Filmen hat er sich oft mit der Armut der chinesischen Landbevölkerung in Myanmar beschäftigt. Aufstiegskampf spielt auch in »Nina Wu« eine Rolle, wenn auch weniger offensichtlich.
Zu Beginn des Films hat Hauptfigur Nina Wu das Theaterensemble in der ländlichen Heimat verlassen, um in der Stadt Filmschauspielerin zu werden. Endlich erhält sie eine große Chance: die Hauptrolle in einem Spionagefilm. Beim Vorsprechen muss sie sich emotional verausgaben, während sie von Männern kritisch beäugt wird. Eine vergleichsweise harmlose Szene, die aber schon darauf verweist, dass es um sexistische Machtverhältnisse gehen soll.
Die Kadrierung lässt die Zuschauer im Folgenden oft im Ungewissen darüber, ob gerade Nina Wu oder ihre Filmfigur oder sogar Nina Wu aus ihrer Filmfigur spricht. Die Figur im Film hat reihenweise tränen- und schmerzerfüllte Szenen. Damit nach seinen Vorstellungen gespielt wird, setzt der Regisseur psychische und physische Gewalt ein. Als der Film ein Erfolg wird und Nina Wu ihre erste Pressekonferenz gibt, erzählt sie den Journalisten von Selbstaufgabe: Früh habe sie sich in allen Disziplinen der darstellenden Künste geübt und sei bereit gewesen, in Verfolgung ihres Karrieretraums von wenig Geld zu leben.
Eine weitere Erzählebene tritt auf: In horrorfilmartigen Traumsequenzen wird Nina Wu von einer Frau verfolgt, mit der sie beim Vorsprechen konkurriert hat. Verdrängte Erinnerungen dringen an die Oberfläche. Schließlich zeigt der Film zwei alternative Abläufe des Vorsprechens: Einmal lässt der Produzent die Kandidatinnen mit Hilfe hanebüchener Szenenanweisungen sexuell erniedrigende Akte performen. Das andere Mal gibt er sich zuvorkommend. Beide Abläufe enden aber damit, dass Nina Wu unter Drogen gesetzt und vergewaltigt wird. In der letzten Einstellung des Films ist die Vergewaltigung leinwandfüllend zu sehen.
Die Vorsprechen finden in einem Hotelzimmer statt, Zimmernummer 1408 – der Bezug auf den Harvey-Weinstein-Skandal ist offensichtlich. »Nina Wu« ist aber nicht nur eine Replik auf die sexuelle Gewalt, die im Zuge von #MeToo bekannt wurde. Durch die drei Variationen des Vorsprechens sowie die Gewalt, die Nina Wu am Set erfährt, drückt der Film aus, dass die Filmindustrie Frauen auf vielen verschiedenen Ebenen Gewalt antut. Diese Gewalt steht in Verbindung mit dem Aufstiegsdruck, der auf der jungen Schauspielerin lastet. Man kann deshalb sagen, dass ein wiederkehrendes Thema von Regisseur Midi Z auch in »Nina Wu« die Ausbeutung des menschlichen Körpers durch den Arbeitsmarkt ist. In diesem Fall: die Ausbeutung des weiblichen Körpers durch die Filmindustrie.
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