Kritik zu Beerland
Die Bierdoku von Matt Sweetwood ist ein klassisches Exportprodukt: Sie bedient die bereits vorhandenen Vorstellungen von der »deutschen Bierkultur« mit der vorgesehenen Menge an Schaum
Ende Februar wurde gemeldet, die US-Brauerei Anheuser-Busch habe ihre Biere mit Wasser verlängert. Das verstößt zwar nicht wirklich gegen das berühmte deutsche Reinheitsgebot. Andererseits machen solche Eigenmächtigkeiten verständlich, warum sich gerade Nichteuropäer oft für die von einem deutschen Lebensmittelkonzern heftig beworbene »deutsche Bierkultur« begeistern. Auch der puritanische Umgang mit Alkohol in den Herkunftsländern mag eine Rolle spielen – wie etwa bei dem in Berlin lebenden Filmemacher Matt Sweetwood, einem Mann mit USamerikanischem Migrationshintergrund, der ausgerechnet aus Missouri stammt, dem Bundesstaat, wo Anheuser-Busch zu Hause ist.
Sweetwood jedenfalls liebt deutsches Bier. Und nachdem er (aus Unkenntnis über den wahren Charakter der Veranstaltung) daran gescheitert ist, seinen Eltern das Münchner Oktoberfest näherzubringen, will er es genauer wissen. Er begibt sich auf eine Bierbildungsrundreise durch deutsche Lande, die ihn vom Berliner Eckkneipenrassismus über bayerisches Dorftheater, Kölner Karneval und eine fränkische Kleinbrauerei-Touristenroute zu einem bizarren norddeutschen Trinkerbund führt. Der Zuschauer erfährt Interessantes, etwa dass die Erfindung des Kühlschranks vor allem durch Bedürfnisse von Brauereien getrieben wurde. Wir bekommen Einblicke in die Ursprünge des Bierwesens bei den alten Germanen und Ägyptern und (etwas überdosiert!) Skurriles und Gewöhnliches aus provinziellem Brauchtum zwischen Kölschseligkeit und Hopfenköniginnentum.
Sweetwoods Perspektive ist die des unwissenden und neugierigen Außenseiters; der Film selbst kommt mit der vertrauten Mischung aus scheinnaiver Selbstreflexion, ethnographischem Forschergestus und humoristischer Verspieltheit daher. Aha-Erlebnisse dürfte es für Deutsche dabei kaum geben, da wir Eingeborenen die im Lauf des Films vom Erzähler mühselig erworbenen Erkenntnisse (wie den Unterschied zwischen rheinischen, preußischen und bayerischen Trinksitten) ja schon mit dem Mutterbier aufgesogen haben. Und die auch hier mal wieder angesprochene Suche nach dem »typisch Deutschen« nervt nur noch. Besonders irregeleitet scheint sie, wenn der Filmemacher die in den letzten Jahren sich verbreitende Unart, mit der Bierflasche in der Hand in der Öffentlichkeit zu promenieren, als authentische Form deutscher Trinkkultur versteht. Denn die Einheimischen sind eher irritiert von dem alkoholischen Exhibitionismus junger Touristen aus vermutlich in dieser Hinsicht weniger laxen Kulturen. Auf der anderen Seite tun sich große Lücken auf, etwa beim Blick auf gesamteuropäische Verzahnungen – man denke nur an Tschechien und Belgien – und die aktuelle Entwicklung. Schließlich sinkt parallel zur Ausbreitung des industriell vereinheitlichten Massengeschmacks der Bierkonsum in Deutschland seit Jahren. Dafür sprießen kleine feine Spezialbrauereien – und das in den USA (Stichwort »Microbrewery«) noch mehr als in Deutschland. In Missouri etwa gibt es ein »Great Divide Espresso Oak Aged Yeti Imperial Reinheitsgebot.Stout«. Das entspricht sicher nicht dem Reinheitsgebot.
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