Kritik zu Jesus Christus Erlöser

© Salzgeber

2008
Original-Titel: 
Jesus Christus Erlöser
Filmstart in Deutschland: 
15.05.2008
Heimkinostart: 
25.09.2009
L: 
84 Min
FSK: 
12

Lange Haare, lila Schlaghose, Blümchenhemd: Klaus Kinski steht im Lichtspot allein auf der Bühne, aus dem dunklen Saal dringt das Geräusch der unruhigen Menge. Aus der Lesung wurde ein Happening, das als Skandalhörstück Furore machte

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Vier Kameras, vom Künstler bestellt, dokumentierten das Ereignis, das sich im November 1971 in der Berliner Deutschlandhalle zutrug. Kinskis Nachlassverwalter Peter Geyer hat nun den Abend aus dem Filmmaterial rekonstruiert, auch den überraschend friedlichen Ausklang vor einer kleinen Gruppe andächtiger Zuhörer.

»Gesucht wird Jesus Christus, angeklagt wegen Verführung, anarchistischer Tendenzen, Verschwörung gegen die Staatsgewalt; Deckname: Menschensohn, Friedensbringer, Erlöser.« Im Steckbriefstil setzt Kinskis Version der Passionsgeschichte ein, steigert sich zur Brandrede. Doch Jesus als donnerndes Subjekt der Gerechtigkeit, als Furie ethischer Grundsätze – das kam im Saal schlecht an. Kinski wurde von Zwischenrufen wie »Du streust Hass, wir sind aufgeklärte Erwachsene!« provoziert. Er reagierte unflätig, brach den Vortrag mehrmals ab und kämpfte zunehmend unduldsam gegen die Unduldsamen. Askese und seriöse Rezitation nahm die Generation widerborstiger Post-68er dem 45-jährigen Mimen nach seinen Edgar-Wallace-Filmen, Spätwestern und dem römischen Dolce Vita nicht ab.

Jesus als Aufrührer und politischer Dialektiker war seit Pasolinis Film über das Matthäus-Evangelium im Gespräch, die Hippies feierten einen weichgespülten Musical-Erlöser, auch das Ritual antikonsumistischer Publikumsbeschimpfung war nach Peter Handke ein alter Hut, doch Kinskis Projekt schien die Spielregeln der Provokation zu überziehen. Seine Egozentrik stürzte den Abend in die Authentizitätsfalle. Das Image Kinskis als Krawallmacher widerlegt Geyers Film nicht, kostet es aber auch nicht aus. Er ist ein fesselndes Zeitdokument, das mit der Kehrseite des Woodstock-Mythos konfrontiert, einer von Hass und Hilflosigkeit geprägten Grundstimmung, über der sich die Passionsgeschichte – auch Kinskis Eigenfassung – wie ein Monolith erhebt.

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