Streaming-Tipp: »Fauda« Staffel 3
»Fauda« (Staffel 3, 2020). © Netflix
Muss man ein abgebrühter Elitesoldat gewesen sein, um einen solchen vor der Kamera überzeugend zu verkörpern? Einen Mann wie Lior Raz, den israelischen Hauptdarsteller und Co-Drehbuchautor der Erfolgsserie »Fauda«, kann man nicht erfinden. Aufgewachsen im Westjordanland, Sohn eines aus dem Irak geflüchteten Juden und einer Algerierin, sprach er zu Hause mehr arabisch als hebräisch. Nach dem Militärdienst wurde er Mitglied einer Antiterroreinheit, die undercover agierte. Seine Verpflichtung hatte wohl auch damit zu tun, dass in seiner Teenagerzeit seine Freundin an der Bushaltestelle von einem Terroristen erstochen wurde. Nach Beendigung seines Dienstes ging er in die USA, war unter anderem Leibwächter für Arnold Schwarzenegger, und kehrte dann nach Israel zurück, um ein Schauspielstudium aufzunehmen. Beim Reservistendienst traf er den Journalisten Avi Issacharoff und entwickelte mit ihm eine Serie, in der sie ihre Erfahrungen verarbeiteten.
Passend zur rauen Serienästhetik ist der von Lior Raz gespielte Doron ein bulliger Typ mit Bartschatten und Glatze, um den man auch bei Tageslicht eher einen Bogen machen würde. Als Teil eines verschworenen Teams infiltriert er unter Deckidentitäten terrorverdächtige arabische Clans im Westjordanland. Mit Dorons neuer Undercovermission wird nun in Staffel 3 der rote Faden der Serie weitergesponnen. Doron ist immer noch auf der Jagd nach dem Terroristen Fauzi, der einen Anschlag plant. Dabei entwickelt er sich als vermeintlicher Boxtrainer zum Ersatzvater von Fauzis Cousin Bashar, einem jungen Mann, dessen Vater, ein einstiger Terrorist, kurz vor der Entlassung nach 20 Jahren im Gefängnis steht. Der Versuch, Bashar und dessen Familie, bei der Doron als Hausfreund ein und ausgeht, zu schützen, führt zu Manövern, die, von einer Verschlimmbesserung zur nächsten, das Team zu einem Himmelfahrtskommando ins Herz der Finsternis, nach Gaza, zwingen. »Fauda«, auf Arabisch Chaos, ist also auch diesmal garantiert.
Der Serie gebührt nicht nur das Verdienst, Außenstehenden den israelisch-palästinensischen Konflikt mit seinen vielen Akteuren und wechselnden Loyalitäten transparenter zu machen. Auch die Nähe zur Realität sorgt für enorme Spannung. So wird in der täglichen Praxis modernste Spionagetechnik demonstriert, ohne aber davon abzulenken, dass dieser asymmetrische Krieg extrem schmutzig ist: Es wird viel getötet und noch mehr geweint.
Dass »Fauda« von arabischer wie israelischer Seite jeweils zu viel Sympathie für die Falschen vorgeworfen wird, zeigt, dass das Autorenduo einen Nerv getroffen hat. Tatsächlich ist die Serie, in der mehr arabisch als hebräisch gesprochen wird und deren zentraler Held sich mental in einer »Twilightzone« bewegt und gerne in der Moschee verschnauft, gerade beim arabischen Publikum ein Quotenhit. Das Drehbuch hält gekonnt die Balance zwischen Eheproblemen und Affären innerhalb des Teams, wobei die Leidenschaft durch die Nähe des Todes gesteigert wird, und Porträts arabischer Großfamilien. Diese erscheinen in ihrer Warmherzigkeit als kuscheliges Nest – und oft auch als Malstrom, in dem jeder Angehörige mit Ambitionen außerhalb des Clans und »der Bewegung«, wie die allgegenwärtige Hamas genannt wird, verschlungen wird. Die Mischung aus Sentimentalität und Brutalität erinnert an Mafiafilme, mit unsichtbaren iranischen Paten.
Ein weiterer Handlungsmotor sind Vater-Sohn-Beziehungen, verschweißt durch ein Doublebind aus Fluchtgedanken, Schuldgefühl und Verrat, dem junge Leute nur durch Selbstmord, als Märtyrertum verkleidet, entkommen können. Es sei denn, man schafft es rechtzeitig nach Europa. Meist aber gibt es kein Happy End. Erfolgreiche israelische Einsätze entpuppen sich als Pyrrhussiege, die neuen Terror generieren. Und dann fallen selbst in Terroristenkreisen leise Sätze wie: »Es ist besser, im israelischen Gefängnis zu sitzen als im jordanischen oder ägyptischen«, in denen das gegnerische Dilemma auf den Punkt gebracht wird.
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