Kritik zu Zu weit weg

© Farbfilm Verleih

Unsentimental und unaufgeregt ­erzählt Sarah Winkenstette von zwei Jungen, die aus unterschiedlichen Gründen ihre Heimat verloren haben und dadurch zusammenfinden 

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Manchmal scheint es einfacher, Tausende Kilometer entfernt von Zuhause eine neue Heimat zu finden, als in der nächsten großen Stadt. Den Anschein macht es zumindest für den zwölfjährigen Ben (Yoran Leicher), der mit seinen Eltern dem Braunkohleabbau weichen muss. Erst noch voller Vorfreude auf die neue Umgebung muss er schnell feststellen, dass niemand in der neuen Stadt auf ihn wartet, nicht die Klassenkameraden, nicht der Fußballverein, auf den er sich als talentierter Stürmer so gefreut hatte. Wenig später kommt Tariq (Sobhi Awad) in die Klasse und in die Mannschaft, und wird sehr viel freundlicher empfangen, bekommt gleich seinen Platz im Team, in der Schule den neben Ben. Tariq ist syrischer Flüchtling. Etwas widerwillig von Bens Seite, verschüchtert von Tariqs Seite, freunden sich die beiden an.

Die Filmemacherin Sarah Winkenstette nähert sich dem Thema Flucht, Vertreibung und Integration mit angenehmer Unaufgeregtheit. Sie wiegt die Schwere der Schicksale der beiden Jungen nicht gegeneinander auf, sondern begegnet ihnen mit gleicher Ernsthaftigkeit und auf Augenhöhe. Nimmt die Gefühle ernst. ­Langsam lässt sie sich die Jungen annähern und trifft damit genau den Ton und die Art, wie sich Jugendliche eben kennenlernen. Sie fragen sich nicht unmittelbar neugierig aus, reagieren nicht mit Betroffenheit etwa auf die Flüchtlingsgeschichte Tariqs, der seine Eltern in Syrien zurücklassen musste und auf der Flucht auch noch von seinem Bruder getrennt wurde. 

Monika Plura fängt mit ihrer Kamera Gesichter und Szenen ein, die mehr über die beiden Jungen verraten als Dialoge es können, lässt insbesondere einige Fußballszenen in Zeitlupe laufen und erzeugt damit eine ungeheure Spannung. Einmal beobachtet sie, wie Tariq Bens Legobauten zertrümmert. Ben schaut völlig verstört zu. Schließlich sagt Tariq: »So sieht es in Aleppo aus.« Szenen und Sätze erzielen ganz subtil ihre Wirkung auch bei jungen Zuschauern.

Zugleich finden Winkenstette und Drehbuchautorin Susanne Finken einen bemerkenswert leichten Ton. Denn »Zu weit weg« ist auch eine Abenteuergeschichte, in der die Erwachsenen nur Nebenrollen spielen. Irgendwann fälscht Ben die Unterschrift seiner Eltern, damit Tariq das Wochenende bei ihm verbringen kann. Und während Bens Eltern zu einer Hochzeit fahren, machen die beiden Jungen einen nächtlichen Ausflug zu Bens ehemaligem Zuhause in dem inzwischen menschenleeren Ort. Ben will seinem Freund die gigantischen Bagger zeigen, die ihn schon immer fasziniert haben. Der Ausflug geht gründlich schief, sie werden erwischt. Aus dem Lausbubenstreich wird plötzlich eine existenzbedrohende Situation und Ben wird klar, in welch ungewissen Umständen Tariq in Deutschland lebt.

Es ist ein ungewöhnlicher Mix aus Sozialdrama, Komödie und Best-Buddy-Movie, in dem Winkenstette angenehm unaufgeregt für ein junges Publikum aufzeigt, wie sich Menschen in der Fremde fühlen – egal ob im nächsten Dorf oder in einem weit entfernten Land. Und es ist ein Plädoyer für Offenheit und Toleranz.

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