Kritik zu Im Niemandsland
Wieder eine Ost-West-Liebesgeschichte. Florian Aigner erzählt in seinem Spielfilmdebüt von einer Familie aus der DDR, die in den Westen geflohen ist. Nach dem Mauerfall zieht es sie zurück – aber ihr altes Haus hat längst neue Besitzer
Das Niemandsland, von dem dieser Film erzählt, ist der Raum zwischen den zwei Seiten einer Grenze. Die innerdeutsche Grenze mit ihrem Todesstreifen, an der über 500 Menschen getötet wurden, liegt allerdings zum Zeitpunkt des Films längst in Trümmern, übrig geblieben sind nur Ruinen. Auch wenn der Film den Sandstreifen zwischen den Mauern, wo wahrscheinlich einmal der Todesstreifen war, oftmals emblematisch ins Bild rückt, meint er doch eher eine Niemandszeit. Es ist der Sommer 1990, und noch ist nicht so ganz klar, was einmal aus der damals noch existierenden DDR kurz vor der Währungsunion werden wird. Eine Zeit der Ungewissheit, die der Film immer wieder mit Archivaufnahmen vom Fall der Mauer und den Statements von Politikern illustriert. Und es ist auch die Zeit, in der Restitutionsansprüche geltend gemacht werden.
Katjas Familie jedenfalls musste aus der DDR fliehen, und ihr Haus in Kleinmachnow wurde enteignet. Katja ist 16, und wenn sie durch ein Loch in der zerfallenen Mauer schlüpft, hört sie auf ihrem Walkman den damals ungemein populären Song »I Promised Myself« von Nick Kamen. Vor dem enteigneten Haus hat ihr Vater einen Wohnwagen aufgebaut und konfrontiert die jetzigen Bewohner mit dem Konterfei seines Vaters, der mit seiner Familie in den Westen fliehen musste. Abends veranstaltet er sogar Mahnwachen mit seiner Tochter – auch wenn ihm die Bewohner anbieten, das Haus für 86 000 D-Mark (!) zu kaufen.
Eigentlich ist es seltsam, dass viele Filmemacher die Mauer für eine Romeo-und-Julia-Geschichte nutzen. »Zwischen uns die Mauer« von Norbert Lechner, der im letzten Monat in unseren Kinos anlief, ließ sich wenigstens Zeit, eine solche Liebe zu entwickeln. In »Niemandsland« geht das alles sehr schnell. Ein Blick und die Liebe bricht aus. Katja verliebt sich ausgerechnet in den 17-jährigen Thorben, der mit seiner Familie im ehemaligen Haus ihres Vaters wohnt.
Nun ist Film nicht die Realität, aber das Gefühl der Konstruktion beziehungsweise Überkonstruktion wird man hier bis zum Schluss nicht los: Alles bleibt thesenhaft, weil Florian Aigner in seinen Debütfilm viel zu viel hineinpackt und seinen Figuren keinen Raum und keine Zeit zur Entfaltung gibt.
Zwischen Katja und Thorben gibt es Irrungen und Wirrungen, west-/ostbedingt, Katjas Vater bleibt eine eher manische Figur, geradezu besessen von der Rückeroberung seines Hauses. Weshalb seine leicht somnambule Frau auch eine Affäre mit dem Nachbarn im Haus laufen hat. Thorbens Mutter wird als Leiterin eines ehemals volkseigenen Betriebs entlassen, weil er von einer Bank aufgekauft wurde – natürlich von der, in der Katjas Vater arbeitet. Und wenn sich dann noch Thorbens Handballlehrer, der Einzige, der die beiden unterstützte, als Stasi-IM entpuppt, schüttelt man nur noch den Kopf über ein allzu plakatives Drehbuch, das zu viele Geschichten in einen Film hineinpresst.
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