Kritik zu Homefront
Gary Fleders melancholischer Actionfilm, zu dem Sylvester Stallone das ebenso gradlinige wie tiefgründige Drehbuch geschrieben hat, setzt auf bekannte Motive und Situationen, gibt ihnen aber eine neue Dimension
Ein Biker und Drogendealer stirbt vor den Augen seines Vaters, der zugleich auch der Boss der Gang ist. 47 Kugeln zerfetzen ihn, dabei wäre vielleicht nicht einmal eine notwendig gewesen. Davon ist zumindest der Undercover-Agent Phil Broker überzeugt. Der hatte den Dealer zuvor schon gezielt angeschossen und ihn außer Gefecht gesetzt. Doch da war die Situation längst außer Kontrolle geraten, und so gibt der Vater des Dealers Broker, der lange Zeit verdeckt in der Gang ermittelt hat, die Schuld am Tod seines Sohnes.
Aus Situationen wie diesen entstehen blutige Fehden, die ganze Familien auslöschen können. Doch es müssen gar nicht immer 47 Kugeln sein, wie Phil Broker (Jason Statham) in Gary Fleders Action-Blues Homefront Jahre später schmerzlich erkennen muss. Manchmal reicht schon eine Kleinigkeit wie ein außer Kontrolle geratener Streit unter Kindern, um einen Krieg zwischen zwei Familien heraufzubeschwören.
Der so brutale wie sinnlose Tod des Dealers hat Brokers Sicht auf seinen Job verändert. Als dann auch noch seine Frau stirbt, zieht er einen Schlussstrich und quittiert den Dienst. Nun lebt er mit seiner Tochter Maddy zurückgezogen in einer kleinen Stadt in Louisiana. Doch der Frieden, den er dort gefunden hat, wird brüchig, als Maddy sich gegen einen aggressiven Klassenkameraden zur Wehr setzt. Nachdem Broker dessen Vater in seine Schranken verwiesen hat, drängt Cassie (Kate Bosworth), die methsüchtige Mutter, auf Rache und wendet sich an ihren Bruder Gator (James Franco), den lokalen Drogenboss.
Gary Fleder und sein Drehbuchautor Sylvester Stallone nähern sich dem Actiongenre mit dieser an Western-Traditionen anschließenden Geschichte zweier Familienfehden aus einer ungewohnten Richtung. Immer wieder zeigen sie Mütter oder Väter, die hilflos dabei zusehen müssen, wie ihre Kinder verletzt oder gar getötet werden. Und im Gegenzug sind es dann meist wieder Kinder, die voller Entsetzen miterleben müssen, wie sich ihre Eltern in einem Strudel aus Rache und Gewalt verlieren. Am Ende ist es dann der Blick einer Zehnjährigen, der in einem ungeheuer berührenden Moment dem Wahnsinn ein Ende bereitet.
Überhaupt beweisen Stallone und Fleder, zwei Genre-Traditionalisten, die perfekt harmonieren, ein geradezu atemberaubendes Gespür für kleine Details, die eine Figur von einem Moment auf den anderen in neuem Licht erscheinen lassen. Die Linie zwischen Gut und Böse ist klar gezogen. Trotzdem offenbaren sich immer wieder überaus spannende Schattierungen.
Gators Freundin und Komplizin Sheryl, mit der Winona Ryder ein großartiges Kino-Comeback feiert, will eigentlich immer das Richtige tun und ihr Leben dauerhaft in den Griff bekommen. Doch die Ereignisse reißen sie, eine ehemalige Prostituierte, wie auch allen anderen mit. Selbst Francos Gator, der anders als die Biker noch einen gewissen Moralkodex hat, bekommt im Lauf der Ereignisse immer tragischere Züge. In Fleders und Stallones elegischer, aber nie pathetischer Vision kann die Welt der Himmel oder eben auch die Hölle sein. In welche Richtung sich die Waagschale neigt, ist offen. Aber jeder Einzelne kann den Ausschlag der Waage durch seine Handlungen beeinflussen.
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