Kritik zu Your Name
Der Animefilm von Makoto Shinkai erzählt die Geschichte einer ganz großen Liebe – und wurde damit zum Kassenschlager in Japan
Das Thema von Makoto Shinkai ist die Überwindung großer Distanzen: der Grenzen von Raum und Zeit. In dem Kurzfilm »Voices from a Distant Star«, mit dem der japanische Animeregisseur bekannt wurde, wartet ein Junge auf Nachrichten von seiner Freundin, die an den Rändern unseres Sonnensystems gegen Aliens kämpft. In »Five Centimeters per Second« werden zwei Liebende immer wieder vom Alltag getrennt, »Die Reise nach Agarthe« öffnet Türen ins Reich der Toten.
Am Anfang von »Your Name«, der jetzt bei uns startet – an zwei Tagen, mit über 130 Kopien –, kommen sich die jugendlichen Helden zunächst sehr nahe: Mitsuha und Taki finden sich eines Morgens im Körper des jeweils anderen wieder. Die beiden führen sehr unterschiedliche Leben: Mitsuha wohnt als Tochter eines Politikers auf dem Land, hilft ihrer Großmutter, den lokalen Shinto-Schrein zu pflegen, und langweilt sich ein bisschen. Bei Taki in Tokio geht es hektischer zu; er jobbt neben der Schule in einem Restaurant. Der Körpertausch, der sich in Sprüngen vollzieht – mal »on«, mal »off« –, ist für beide verwirrend, aber Mitsuha findet sich schnell in die neue Rolle, verschleudert Takis Geld im Café und arrangiert sogar ein Date für den eher schüchternen Jungen. Um die gröbsten Interventionen auszuschließen, beginnen die beiden, sich Nachrichten zu schreiben – per SMS und handschriftlich auf die Haut.
Dann wird es kompliziert. Gerade als die Bodyswitch-Komödie sich zur ernsthaften Romanze entfaltet, begreift Taki, dass er eine Beziehung mit dem Jenseits gepflegt hat: Die Kleinstadt, in der er Mitsuha besuchen will, wurde Jahre zuvor bei einem Asteroideneinschlag zerstört. Und der anfangs nah an den kleinen Dingen des Lebens angesiedelte Film explodiert in einer Mischung aus Märchen, Melodrama und Katastrophenthriller.
Makoto Shinkai gilt als der Regisseur, der das Erbe des großen Anime-Auteurs Hayao Miyazaki übernehmen könnte. Tatsächlich hat Shinkai bei der Produktion von »Your Name« einige Spezialisten aufgefangen, die 2014 mit der Schließung von Miyazakis Studio Ghibli freigesetzt wurden. Diese Connection schlägt sich in der Figurenanimation nieder, die lebhafter wirkt als in Shinkais vorausgegangenen Filmen. Dem grafischen Look von Ghibli fühlt der Regisseur sich ohnehin verpflichtet; allerdings arbeitet »Your Name« auch mit einer Software, die den handgezeichneten künstlich erzeugt. Ein wesentlicher Unterschied zu den Klassikern liegt in Shinkais Hang zum »Fotorealistischen« in der Gestaltung von Natur- und Stadtlandschaften: zu einem Reichtum an Blättern, Gräsern, Töpfchen und Deckelchen, Schattierungen, Schraffuren und Spiegelungen, der verführerisch wirkt, aber dem Fantastischen wenig Raum lässt. Trotzdem ist »Your Name« ein Beleg dafür, dass es für das Animekino ein »Leben nach Ghibli« gibt. Im durchaus persönlichen Universum des Films wird alles mit allem verknüpft, wie in den Stoffbändern, die Mitsuhas Oma webt: männliche und weibliche Zuschreibungen, das Nahe und das Ferne, das Vergangene und das Gegenwärtige, das Shinto-Ritual und der Japan-Pop des Soundtracks. Um so etwas zusammenzuhalten, braucht es Zuversicht und Leidenschaft – »Your Name« ist vor allem die Geschichte einer Liebe, die – ja: Grenzen überwindet.
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