Strich in der Landschaft – Zum Tod von Harry Dean Stanton
Harry Dean Stanton in »Lucky« (2017)
Bis zuletzt war er auf den Beinen. Selbst mit 90 Jahren wanderte Harry Dean Stanton in »Lucky« noch über die Leinwand. Von rechts nach links die Straße, vom Vorder- in den Hintergrund, quer durch die Landschaft. Als ein Arzt seine Figur im Film fragt, warum er trotz seines hohen Alters und des vielen Rauchens noch so fit sei, sagt er: »Ich bin ständig zu Fuß unterwegs und mache jeden Tag fünfmal Yoga.«
Das Poster zum Film setzt ihn so in Szene, wie er in Erinnerung bleiben wird: Als Strich in der Landschaft. Nur in Unterwäsche, Cowboy-Hut und Cowboy-Stiefeln steht er vor einer Prärielandschaft und gießt einen dürren Kaktus, der eben so noch dürrer als er selbst ist.
Am vergangenen Freitag ist Harry Dean Stanton im Alter von 91 Jahren in Los Angeles gestorben.
Noch einmal gibt er in »Lucky«, der erst im März 2018 in die deutschen Kinos kommen wird, den Loner, den stummen Einzelgänger – wie in seinem größten Erfolg. In »Paris, Texas«, für den Wim Wenders 1984 die Goldene Palme in Cannes gewann, spielt Stanton den Drifter Travis Henderson, der nach Jahren ohne Lebenszeichen und einer langen Reise bei seiner Tochter auftaucht. Die Drehbuchvorlage lieferte der Schauspieler und Autor Sam Shepard, auch einer, der in diesem Jahr von uns gegangen ist.
Die ersten Einstellungen von »Paris, Texas« zeigen Stanton, wie er ausgehungert und abgemagert durch die Wüste zieht. Er trägt einen staubigen Anzug, hat eine rote Kappe auf dem Kopf und trägt diesen Hundeblick, der so etwas wie sein Markenzeichen war und in Verbindung mit Ry Cooders melancholischem Slide-Gitarren-Soundtrack unvergessen bleibt.
Stantons Weg zu durchs Filmgeschäft hin zu den großen Rollen war ein weiter. In den fünfziger Jahren, mit Ende Zwanzig, fasste er im Business Fuß. Anfangs war seine Tätigkeit dabei aber auf namenlose Nebenfiguren begrenzt: 1956 als »Gefängniswächter« in Alfred Hitchcocks »The Wrong Man«, zehn Jahre später dann als »Gefängnisinsasse« im oscarprämierten Südstaaten-Krimi »In der Hitze der Nacht« mit Sidney Poitier. Oder Anfang der Siebziger als »FBI-Mann # 2« in »Der Pate 2«. Bis zuletzt spielte er Rollen wie »Nachrichtenreporter«, »Mann mit Hut«, »Wachmann« oder einfach einen »Alten Mann«. So wirkte er in fast 200 Film- und Fernsehproduktionen mit.
Auch wenn er selten der Mann im Mittelpunkt war, schätzten ihn einige der größten Regisseure: Neben Hitchcock und Coppola spielte Stanton für Sam Peckinpah in »Pat Garrett jagt Billy the Kid«, für John Carpenter in »Die Klapperschlange«, für Ridley Scott in »Alien«. Und auch in den Filmen von David Lynch war er über Jahrzehnte vertreten: in »Wild at Heart«, »The Straight Story« und »Inland Empire« – nie aber in einer Hauptrolle.
In der eben zu Ende gegangenen dritten Staffel von Lynchs Kultserie »Twin Peaks« hatte er einen seiner letzten Auftritte. David Lynch, der in »Lucky« als Schauspieler an Stantons Seite war, schrieb zu seinem Tod: »Ein Großer ist von uns gegangen. Es gibt keinen wie Harry Dean. Jeder hat ihn geliebt. Und das mit gutem Grund. Er war ein großartiger Schauspieler und ein großartiger Mensch.«
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