Kritik zu Jack und das Kuckucksuhrherz
Die Franzosen Stéphane Berla und Mathias Malzieu belegen, dass Animationsfilm auch anders gehen kann als Pixar oder Disney ihr Publikum glauben lassen
Jacks Welt ist Ende des 19. Jahrhunderts angesiedelt und wird bevölkert von Outlaws, die an so ungewöhnlichen Orten wohnen, dass sie nur der Fantasie eines kreativen Kopfes entsprungen sein können. In diesem Falle ist es der Kopf des Buchautors, Sängers und Songwriters Mathias Malzieu: Er hat 2007 den Roman »Die Mechanik des Herzens« geschrieben, der erst in diesem Jahr bei uns herauskam. Die Geschichte beginnt im 19. Jahrhundert, in der kältesten Nacht, die Edinburgh je erlebt hat. Als die Hebamme Madeleine den kleinen Jack entbindet, ist dessen Herz zu Eis gefroren. Sie holt ihn zurück ins Leben, indem sie ihm kurzerhand eine Kuckucksuhr einpflanzt. Die Mutter macht sich alsbald aus dem Staub, und Jack bleibt bei Madeleine, die sich schon immer ein Kind gewünscht hat.
Es gibt in dieser fröhlich unkorrekten WG, in der noch zwei Prostituierte und ein alter gebeugter Xylophonspieler leben, dessen Klangplättchen mit ihm auf dem Rücken verwachsen sind, einen großen Zusammenhalt und viel Spaß, aber speziell für Jack gelten drei strikte Regeln: Er darf sich nicht aufregen, darf die Zeiger seiner Uhr nicht verstellen und das Wichtigste – er darf sich unter keinen Umständen verlieben. Denn heftige Emotionen bringen seine Uhr aus dem Takt und das würde den frühen Tod bedeuten. Sein erster Ausflug in die Stadt ist denn auch der Beginn einer großen Liebe. Acacia, das Mädchen seiner Träume, zieht nach Andalusien und Jack wird ihr folgen, um sie für sich zu erobern.
Die Produktion ist ein Glücksfall unkonventioneller Entscheidungen. Die Produzentin Virginie Silla-Besson vertraute ganz dem Buchautor, der aus seinem Roman das Drehbuch erstellte und mit seiner Band Dionysos auch den Soundtrack lieferte. Malzieu suchte sich als Koregisseur Stéphane Berla, der bis dahin als Regisseur für Musikvideos tätig war. So haben wir es auf allen Ebenen mit einem homogenen Gesamten zu tun, das in jeder Szene Wärme und Liebe für seine Figuren ausstrahlt. Vordergründig handelt der Film vom Konflikt, den Jack lösen muss, aber gleichzeitig erzählt er mit seinen vielen originellen Figuren die Geschichte der Andersartigkeit und davon, wie die Sonderlinge trotz Schwierigkeiten Vertrauen in die eigenen Stärken finden. Dieser Devise folgt auch der geniale Erfinder und Filmemacher George Méliès, der den verliebten Jack bis nach Spanien begleitet und ihm ein väterlicher Berater in Sachen Liebe ist. Trotz 3-D-Technik macht der Film einen fast unmodernen, anachronistischen Eindruck, seine Bilder und Figuren erinnern an Tim-Burton-Filme und mit seiner warmen Farbgebung lässt er keine Zweifel an einer positiven Grundstimmung. Die Reisen in Zug und Pferdekutsche sind im Origami- und Aufklappbilderbuch-Stil animiert, so dass eine sehr bewegte Dynamik entsteht, aber eben kontrapunktisch mittels alter Papiertechniken umgesetzt. Souverän ergänzen sich moderne Bildverarbeitung und altmodisch anmutender Animationsstil – und der Zuschauer lässt sich hinwegtragen in eine Zeit, in der das Kino gerade erfunden wurde.
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