Kritik zu Allied: Vertraute Fremde

© Paramount Pictures

Brad Pitt und Marion Cotillard wandeln (ein bisschen) auf den Spuren von Bogart & Bergman. Und Robert Zemeckis? Macht daraus einen romantischen Thriller

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Alljährlich im Frühjahr beweisen die Bewohner der Kanarischen Inseln, dass ihnen in Sachen Karneval in Europa niemand das Wasser reichen kann. In brasilianisch-extrovertiertem Ausmaß rumpeln dekorierte Lastwagen auf Teneriffa oder Gran Canaria über die Alleen. Man muss sich die Dreharbeiten zu Robert Zemeckis' neuestem Film (oder zumindest zu dem Teil, der im Film die erste halbe Stunde ausmacht) ebenfalls als karnevalesken Spaß vorstellen. Brad Pitt spielt Humphrey Bogart, Marion Cotillard huldigt Ingrid Bergman. Tolle Kulissen, simple Sprache, großes Kino. Oder so ähnlich.

Doch der Reihe nach: Tatsächlich wurde auf Gran Canaria und Fuerteventura gedreht. Die Kinozuschauer erleben in der Ouvertüre, wie Brad Pitt per Fallschirm auf goldenem Wüstensand landet. Ist der blonde schöne Mann im weißen Gewand womöglich eine Hommage an Lawrence von Arabien? Die Filmgeschichte wird kurz darauf detailgetreu zitiert: Es ist 1942, die Nazis haben die marokkanische Hauptstadt Casablanca besetzt, und auch diesmal begegnen sich Hauptfiguren in einem schwungvollen Nachtclub, wo man mit Swing, Gin und Zigaretten den Krieg vergessen kann.

Brad Pitt spielt den kanadischen Agenten Max, in Mimik steht er dem Vorbild Bogart kaum nach. Deutlich facettenreicher ist dafür Cotillard als moderne Bergman. Sie ist Marianne, ein Mitglied der französischen Résistance. Beide sind im Auftrag der Alliierten in der Stadt, um den deutschen Botschafter zu töten. Der Auftrag ist riskant, die beiden müssen als Wissenschaftlerehepaar unter anderem auch den Nazigeneral Hobar überzeugen – eine willkommene Gelegenheit für August Diehl, ebenfalls zu zitieren und seine Schurkenrolle aus Quentin Tarantinos »Inglourious Basterds« noch einmal aufzuwärmen. Schwerer wiegt jedoch der emotionale Ballast, den die beiden Agenten fortan zu tragen haben, denn wider Erwarten verlieben sie sich ineinander, gehen nach London und bekommen ein Kind.

Die dramaturgische Transferleistung, die Regisseur Zemeckis und Autor Steven Knight da hinbekommen, soll an dieser Stelle ausdrücklich gelobt werden. Zwischen humorlos-brachialem James-Bond-Krawalltum über den Dächern von Casablanca und dem weichgezeichneten Familienidyll samt Familienpicknick auf den Parkwiesen von Highgate liegt nicht einmal eine Viertelstunde. Man freut sich für das junge Glück, was soll denn das ganze Töten auch immer? Ob 007 auch so verträumt seiner Tochter beim Laufenlernen zuschauen könnte? Es läuft einem kalt den Rücken herunter. Das gefühlige Szenario währt aber nur kurz – bis der schmucke Agent von seinen Vorgesetzten darüber unterrichtet wird, dass die Ehefrau sehr wahrscheinlich eine Doppelagentin ist.

Die moralische Zwickmühle ist fortan formidable Ausgangslage für die weitere Erzählung. Derweil wandelt Zemeckis auf den Spuren von Steven Spielberg und koloriert seine Bilder in satte Aquarelle, staubfreies Setdesign und üppiges CGI. Während deutsche Kampfflieger nachts die britische Hauptstadt bombardieren, begutachtet die Gesellschaft um Max und Marianne den Schrecken mit offenen Mündern wie ein Feuerwerk. Protzige Schauwerte, die zum einen den Zweiten Weltkrieg in neue, entrückte Bilder bannen und zum anderen über das größte Manko des zum Thriller mutierenden Liebesfilms hinwegtäuschen – der allzu überschaubaren Wandlungsfähigkeit von Brad Pitt. Dem drohenden Familienfiasko begegnet seine Figur mit dem hemdsärmligen Pragmatismus des gewöhnlichen Rachehelden. Weitaus mehr kann man sich dafür an Marion Cotillard erfreuen, deren Rolleninterpretation man geschmeidig, mysteriös und sinnlich zugleich nennen darf. Ihr gehört die Zukunft unter den großen Frauen in Hollywood. Ob sie auch das Herz von Bogarts Rick erweicht hätte? Man kann sich immerhin vorstellen, wie Cotillard einen Revolver auf Claude Rains' Captain Regnault richtet und sagt: »Vergessen sie nicht, die Pistole ist genau auf ihr Herz gerichtet.« Seine Antwort: »Da bin ich am wenigsten verwundbar.« Das waren noch Dialoge!

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