Kritik zu Weiße Ritter
Sie sind ohne Zweifel die Nachfahren von Buster Keaton: die beiden Kölner Langzeitarbeitslosen Mike und Alfred, die einen neuen, aufregenden Loser-Job antreten, in dem sie als ahnungslose Kuriere heißes Schwarzgeld befördern.
Gewiss ist er nicht so groß wie das »Heimat«-Epos von Edgar Reitz. Aber der Kölner Westend-Zyklus von Markus Mischkowski und Kai Maria Steinkühler ist einzigartig im deutschen Kino. Der Spielfilm »Weiße Ritter« ist nach sechs kurzen und einem langen Film bereits die achte Episode in diesem veritablen Underdog-Opus. Alle Filme sind im schönsten Kino-Schwarz-Weiß gedreht, alle Titel beginnen mit dem Buchstaben »W«, so wie der komische Sehnsuchtsort Westend, der die Weite des Westens mit der Abgeschlossenheit eines Stadtviertels verknüpft. Stets spielen die beiden Regisseure die Hauptrollen: Sie sind die Langzeitarbeitslosen Mike und Alfred. Man könnte sie als Vorstadt-Loser bezeichnen, man könnte in ihnen aber auch reine Toren sehen, deren Ahnungslosigkeit in postmodernen Zeiten geradezu sublim und aufrührerisch wirkt.
Auch in »Weiße Ritter« treffen sich der etwas streberhafte Mike (Mischkowski) und der natürliche Alfred (Steinkühler) vor einem Kiosk am Rande der Stadt. Sie warten für immer auf einen Job, einen Auftrag, ein Abenteuer. Dabei gleichen sie absurden Stummfilmkomikern oder den kleinen Verlierertypen des Film noir. Sie lassen an die Figuren von Samuel Beckett denken oder die Outsider von Monte Hellman. Von ihrem alten Kumpel Rasto, dem ewigen Impresario im Wartesaal des Lebens, werden sie für einen neuen Job ohne Chance angeheuert. In einem Trabi sollen sie einen ominösen Koffer aus dem Kölner Raum nach Luxemburg transportieren. Für diesen Lieferservice der besonderen Art tragen die beiden Antihelden helle Renn-Overalls, die an Steve McQueen in Le Mans erinnern. Zugleich machen diese Anzüge aus dem Duo so etwas wie moderne weiße Ritter. Bei ihrer Schmuggeltour gen Westen werden sie freilich von Rasto und einer durchaus erotischen Consulterin (großartig: Claudia Basrawi) verfolgt und überwacht. Die Tour ist also von Anfang an auch eine Flucht: vor dem Kapital, vor dem Schicksal, vor dem Lauf der Zeit.
Wie in allen Westend-Filmen geht es auch in »Weiße Ritter« um den komplexen Dialog zwischen Sprache und Schweigen. Die Sprache, vor allem der Business-Talk, wie ihn die Consulterin zelebriert, übertüncht mit korrekten, harmonisierenden Worten nur Täuschung und Ausbeutung. Die Sprache ist der große, auch lächerliche Bösewicht des Films: ein aberwitziger Falschspieler. Denn »kommunizieren« bedeutet im Managementkosmos nichts anderes als Entfremdung. Nur das Schweigen, das komische oder auch dramatische Verstummen, kommt gegen die trügerische Rede an. Zum Schweigen gehören die erstaunten, lakonischen Blicke von Mike und Alfred, der klassische »slowburn«, wenn sie ungläubig auf ihre Umwelt reagieren. Zur Stille gehört auch die grandiose Schwarz-Weiß-Fotografie von KaPe Schmidt, der deutsche Wälder märchenhaft inszeniert und nächtliche Tankstellen so wunderbar ablichtet, wie man das seit dem frühen Wenders nicht mehr gesehen hat
Kommentare
Tiefste Provinz...
Für 'echte' Cineasten ist Hamburg leider tiefste Provinz. Immer wieder mal werden hier bei epd Film interessante Filme vorgestellt, die in keinem der Hamburger Arthouse- oder Programmkino's gezeigt werden; "Weiße Ritter" zum Beispiel. Oder auch "Der Schatz". Oder.... :-/
Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns