Kritik zu Das Versprechen – Erste Liebe lebenslänglich

© Farbfilm

2016
Original-Titel: 
Das Versprechen – Erste Liebe lebenslänglich
Filmstart in Deutschland: 
27.10.2016
L: 
130 Min
FSK: 
Ohne Angabe

Der Dokumentarfilm rollt den Fall des seit Jahrzehnten in den USA wegen Doppelmordes inhaftierten Jens Söring auf

Bewertung: 4
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Sitzt der Deutsche Jens Söring seit 26 Jahren in Amerika für einen Doppelmord im Gefängnis, den er nicht begangen hat? Diese Frage steht im Mittelpunkt des Dokumentarfilms »Das Versprechen« von Karin Steinberger und Marcus Vetter. Im März 1985 soll der damals 19-jährige Diplomatensohn im US-Bundesstaat Virginia die Eltern seiner Freundin Elizabeth Haysom ermordet haben. Die bemerkenswert brutale Tat erregte große Aufmerksamkeit. Söring und Haysom flüchteten über Bangkok und Moskau nach England. Mit gefälschten Papieren kamen sie durch Scheckbetrug zu Geld. 1986 wurden sie in London verhaftet. Haysom bekannte sich der Anstiftung zum Mord schuldig und verbüßt in den USA eine Freiheitsstrafe von 90 Jahren. Söring wurde 1990 trotz seiner Unschuldsbeteuerung und eines fragwürdigen Prozessablaufs des Doppelmordes für schuldig befunden und zu lebenslanger Haft verurteilt.

Akribisch versuchen Vetter (»Das Herz von Jenin«) und Steinberger die damaligen Geschehnisse zu rekonstruieren. Dabei wird »Das Versprechen« nicht zuletzt zur Chronik einer tragisch aus dem Ruder laufenden Romanze, mit Liebesbriefen von geradezu wahnhafter Intensität, Mord und einer wildromantischen Flucht nach Europa. Auch sonst zeigt sich auf faszinierende Weise das zutiefst »Filmische« der Geschichte: Es gibt Familiengeheimnisse und einen selbstzufriedenen Chefermittler; in historischen Aufnahmen vom Prozess sieht man einen theatralisch auftretenden Staatsanwalt und einen finster dreinblickenden Richter wie aus einem John-Grisham-Krimi. Sogar der knorrige Privatdetektiv von Sörings heutigen Anwälten hat etwas von »Breaking Bad«. Trotzdem bewahren die Filmemacher über weite Strecken einen wohltuend nüchternen Blick. Nur vereinzelt fällt die Dramaturgie in den plakativen Stil einer »True Crime«-Sendung, mit Polizeifotos der blutigen Leichen und unheilschwangerer Musik.

Problematischer ist, dass der Film gegen Ende wie ein Plädoyer für Sörings zweifellose Unschuld wirkt. Während Eli­zabeth Haysom zu keinem Interview bereit war, schildert er ausführlich seine Perspektive, die zunehmend jene des Films wird. Angesichts der entlastenden Ungereimtheiten ist das nachvollziehbar. Andererseits kommt es zu der Schieflage, dass die abwesende Haysom wie ein kriminelles Mastermind anmutet, das den verliebten Jüngling nur benutzte. Tatsächlich aber würde man auch dem hochintelligenten Söring diese Rolle zumindest zutrauen. Etwas einseitig scheint auch die Beweisführung. So tritt hier ein Mann als seriöser Entlastungszeuge auf, der in einer exzellenten »New Yorker«-Reportage über den Fall als einigermaßen verrückt beschrieben wird; im selben Artikel zeigt sich sogar der Privatdetektiv nicht wirklich von Sörings Unschuld überzeugt. »Das Versprechen« hingegen beantwortet die Unschuldsfrage mit einem ziemlich klaren »Ja«. Nach allem, was man gesehen hat, möchte man dem als Zuschauer gerne folgen. Sicher kann man nicht sein. Genau diese Ambivalenz macht die Faszination des Falls aus.

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