Kritik zu Hieronymus Bosch – Schöpfer der Teufel
So bizarr wie Bosch hat davor und danach keiner gemalt. Im August wurde sein Todestag gefeiert – mit einer großen Schau, deren Entstehung die Doku schildert
Der Prado ziert sich. Was die niederländischen Wissenschaftler denn mit den Bosch-Bildern aus der spanischen Sammlung vorhätten? Der »Heuwagen« geht am Ende raus, der »Garten der Lüste« nicht. Die Accademia in Venedig dagegen verleiht ihre Gemälde sehr gerne. Aber die Darstellung des Martyriums der »heiligen Kümmernis« ist in schlechter Verfassung – ob Geld für die Restaurierung drin wäre? Rotterdam möchte seine Boschs nur im Ringtausch gegen einen aus dem Prado hergeben; man plant selbst eine Ausstellung – eigentlich ein bisschen unkollegial.
»Hieronymus Bosch – Schöpfer der Teufel« ist nicht in erster Linie ein Film über die entgrenzten, magisch-surrealen Visionen des berühmten Malers, auf dessen 500. Todestag im August das ganze Jahr über hingefeiert wurde, sondern einer über den modernen Museumsbetrieb. Der Dokumentarist Pieter van Huystee begleitet die Spezialisten des Bosch Research and Conservation Projects, die in jahrelanger Arbeit die wissenschaftliche Grundlage für das größte Bosch-Event aller Zeiten geliefert haben: die inzwischen vom Prado übernommene und komplettierte Jubiläumsausstellung in 's-Hertogenbosch, der im 15. Jahrhundert sehr vitalen Heimatstadt des Künstlers in Nordbrabant. Ziel war, das mehr oder weniger gesicherte Gesamtwerk von Bosch zusammenzutragen. Das klingt nicht nach viel: Kaum zwei Dutzend Gemälde sind überliefert. Die sind allerdings in der ganzen Welt verstreut – und 's-Hertogenbosch besitzt kein einziges davon.
So begibt sich der Film auf eine Schnitzeljagd, in die großen europäischen und amerikanischen Sammlungen, unter Kunsthistoriker, Kuratoren und Restauratoren. Da wird verhandelt, studiert und reflektiert; es werden Triptychen gestemmt, Pigmente gemischt und Farbschichten quadratzentimeterweise durchleuchtet – mit Hilfe von Infrarotkameras und Computerprogrammen, die Bilddetails im curtain view übereinanderlegen.
Seine visuellen Highlights bezieht der Film, nicht wirklich überraschend, von Hieronymus Bosch selbst. Immer wieder saugt sich die Kamera fest: an den kindlichen und erotischen Spielen im berühmten Mittelpaneel des »Gartens der Lüste«, an den Folterszenen, bizarren Mensch-Maschinen-Monstren und von Flammen durchzuckten Nachthimmeln in den Fegefeuerdarstellungen. So werden die Arbeiten nicht nur als »Bildprogramm«, sondern auch in ihrer Materialität richtig sichtbar, in den zarten oder satten Nuancen der Farbgebung, mit Rissen und Fehlern. Und man ist, trotz des gemächlichen Gangs der Doku, auch ein bisschen ergriffen: Von der Ahnung, was für ein Wunder es ist, dass diese Bilder und Zeichnungen aus dem Spätmittelalter überhaupt auf uns gekommen sind.
Dass der Prado Boschs Chef d'œuvre, das wahnwitzige »Garten der Lüste«-Triptychon nicht herausrücken würde, war den Projektmanagern aus den Niederlanden übrigens von Anfang an klar: Die hätten Rembrandts »Nachtwache« auch nicht verliehen.
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