Schauspieler Bud Spencer gestorben
Bud Spencer/Carlo Pedersoli (2015). Foto: Michel Buchmann
Nein, eigentlich ist dies kein Nachruf – denn es gibt Menschen, deren öffentliches Bild so überlebensgroß strahlt, das unzählige Seiten nicht ausreichen würden, um ihm gerecht zu werden. Bud Spencer, der Mann, der ein halbes Jahrhundert lang mit seinen Filmen europäische Kinder- (und Väter-)Augen zum Leuchten gebracht hat, hatte immerhin großes Glück: Als hochbetagter, sanft lächelnder Opi mit weißem Rauschebart hat er noch die frenetischen, in ihren verbalen Superlativen schier grenzenlosen Zuneigungsbekundungen einer ganzen Generation von Fans entgegennehmen dürfen, die ihm in abertausenden von Postings auf Facebook und YouTube mit kindlicher Inbrunst huldigten: Er war der Tollste, der Liebste, der Stärkste; derjenige, der immer da war – bis heute.
Spencer, das zeigt auch die enorme Resonanz auf die Nachricht seines Todes, war unter all den Helden popkultureller Sozialisation vielleicht derjenige, auf den sich alle verständigen konnten. Dabei schien die äußerliche Erscheinung des Mannes, der am 31. Oktober 1929 als Carlo Pedersoli auf die Welt gekommen war, ihn dazu alles andere als zu prädestinieren. Mit seiner imposanten Statur von 1,92 Meter, seinem dunklen Bart und den stets ein wenig skeptisch verkniffenen Augenschlitzen brachte Bud Spencer eigentlich die idealen Voraussetzungen für Schurkenrollen mit. Doch derer hatte das italienische Kino glücklicherweise schon zu viele, als der Regisseur Giuseppe Colizzi den bulligen ehemaligen Olympia-Schwimmer 1967 vor die Kamera holte. »Gott vergibt… Django nie!«, der Debütfilm des Kino-Helden »Bud Spencer«, führte ihn gleich mit jenem gutaussehenden blonden italienischen Landsmann zusammen, mit dem er sich fortan über Jahrzehnte hinweg durch die europäische Filmgeschichte prügeln sollte: Gemeinsam mit »Terence Hill«, bürgerlich Mario Girotti und rund zehn Jahre jünger, sorgte Spencer, dessen Pseudonym auf die Wertschätzung für tschechisches Bier und den Hollywood-Schauspieler Spencer Tracy zurückging, für frischen Wind im eingefahrenen italienischen Genrekino. Den lethargischen Gewaltexzessen des blutigen Italowestern, in dem es so etwas wie einen Helden fast schon gar nicht mehr gab, setzten sie eine im wahrsten Sinne des Wortes entwaffnende Kindlichkeit entgegen: Keine blutigen Duelle, keine Leichen, stattdessen Kopfnüsse, flapsige Sprüche und ellenlange Fressgelage; Gut gegen Böse in herrlich manichäischer Einfachheit. Mit den beiden Filmen »Die rechte und die linke Hand des Teufels« und »Vier Fäuste für eine Halleluja«, in den Jahren 1970 und 1971 von dem bis heute sträflich unterschätzten Regisseur Enzo Barboni inszeniert, feierte der parodistische Western der Marke Spencer/Hill europaweit seinen fulminanten Durchbruch und katapultierte zwei zuvor weitgehend unbekannte Mimen schlagartig in die Star-Etage des europäischen Kinos. Ihr komödiantisches Erfolgrezept aus Running Gags, mimischem Timing und virtuos choreografierten Prügeleien war vor allem am klassischen amerikanischen Stummfilm-Slapstick geschult, an Laurel und Hardy, Charlie Chaplin und Buster Keaton. Spencer war der phlegmatische Dicke, Hill der aktionistische Dünne, beide bärenstark und zusammen unschlagbar. Neben den insgesamt siebzehn gemeinsamen Filmen feierte Spencer – der nie auch nur eine Stunde Schauspielunterricht genommen hatte – in den 1970er und 1980er Jahren auch im Alleingang fulminante Erfolge, ob als Kommissar Plattfuß, Footballtrainer »Mücke« oder Urwaldskipper »Banana Joe«. Mit einem Körper, dessen muskulöse Massigkeit gleichermaßen einem riesigen Appetit wie einer langjährigen Karriere im Schwimmsport geschuldet war, avancierte Bud Spencer zu einem Cartoon-Superhelden im Realfilmformat – mit dem entscheidenden Unterschied, dass er sich jene Natürlichkeit wahrte, die seinen gezeichneten synthetischen Pendants abging. Jenseits der steroiddurchtränkten Bodys von Kino-Epigonen wie Schwarzenegger und Stallone war Spencers Leinwand-Persona keine einschüchternde Demonstration physischer Hybris, sondern eine Beschützerfigur mythischen Ausmaßes, dessen Wesensgüte in keinem Moment infrage stand. Großen Anteil daran hatte vor allem hierzulande seine polternd-rauhbeinige deutsche Stammstimme, beigesteuert durch den im April dieses Jahres verstorbenen Synchronschauspieler Wolfgang Hess, der sich hinter dem Aufnahmegerät regelmäßig mit Bier und Zigarren in Spiellaune brachte und die oft frei übersetzten, teils improvisierten Dialoge grummelte.
Als Schauspieler hat sich Bud Spencer trotz seiner zahlreichen Kino- und Fernsehrrollen nie gesehen, eher als Typ, der immer die gleiche Rolle verkörpert. Seine Karriere vor der Kamera ermöglichte ihm auch so manches (wirtschaftliche) Abenteuer im wirklichen Leben, als Musikproduzent, Gründer eines Lufttaxi-Unternehmens oder Fabrikant für Kindermode. Schon in jungen Jahren drängte es den Sohn eines Industriellen immer wieder in unbekannte Gefilde, etwa zu einer mehrmonatigen Auszeit als Vorarbeiter beim Bau der südamerikanischen Panamericana. Er studierte Chemie und später Jura, gründete mit seiner neapolitanischen Jugendfreundin Maria Amato eine Familie und meldete auch als Erfinder einige Gebrauchspatente an, etwa einen Spazierstock mit aufklappbaren Stuhl und Tisch. Als ihm das Alter die gewohnten Prügelpfade zunehmend verwehrte, wich er in darstellerische Nischen aus, drehte einen Film mit dem italienischen Autorenfilmer Ermanno Olmi und TV-Produktionen fürs spanische Fernsehen. Ein später Coup gelang ihm 2011 mit der Veröffentlichung seiner ins Deutsche übersetzen Autobiografie »Mein Leben – meine Filme«, die – für die Feuilletons sicherlich überraschend – Platz 1 der Spiegel-Bestsellerliste erklomm und der drei weitere Bücher folgten. Seine kreative Vielseitigkeit bewies er noch 2016 durch die Veröffentlichung einer CD, mit der er als Sänger musikalischer Eigenkompositionen in Erscheinung trat, oder durch seinen mit großem Engagement gepflegten Facebook-Kanal (»Facebud« mit rund 1,5 Mio. Followern).
Wer die zahlreichen, von beseelten Besucherscharen gesäumten Buchpräsentationen besuchte, zu denen Spencer in den letzten Jahren immer wieder nach Deutschland kam, wer den Trubel um sein aus einem turbulenten Plebiszit hervorgegangenes Namenspatronat für das Schwimmbad in Schwäbisch-Gmünd in den Medien mitverfolgte, der weiß, dass Spencer am Ende des Lebens längst den Status einer lebendigen Legende genoss. Seine Fans ließen sich sein Konterfei und seine Unterschrift auf die Brust tätowieren, machten sein Antlitz in Che-Guevara-Manier zum populären T-Shirt-Motiv, widmeten ihm Popsongs, Kino-Retrospektiven und Dokumentarfilme. Ihnen allen wird der Held, der mit seinen starken Fäusten stets alle Probleme abzuschirmen und so als omnipotente Vaterfigur das Urvertrauen in die Welt zu sichern wusste, fehlen – als von ferne funkelnder Leitstern der Kindheit, die leider irgendwann zu Ende geht. Stellvertretend für sie alle sei somit mit den Worten des italienischen Ministerpräsidenten Matteo Renzo eines nur hier nachgerufen: »Grazie mille, Bud Spencer! Wir haben dich sehr lieb gehabt!«
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