Kritik zu Brick Mansions
Paul Walker in seiner letzten vollständig abgedrehten Rolle: Der Reiz des Action-Buddymovies aus Luc Bessons EuropaCorps-Schmiede liegt jedoch
in der halsbrecherischen Parcours-Akrobatik
Ein Mann hantiert im Badezimmer eines heruntergekommenen Mietshauses mit mehreren dicken Drogenpaketen, während sich von draußen eine offensichtlich gewalthungrige Meute nähert. Unter normalen Umständen hätte der Mann im Inneren keine Chance, doch Lino ist ein Meister der akrobatischen Flucht, wendig und muskulös flitzt er über Wände, Treppen, Dächer, schwingt sich unter Geländern hindurch und über Hindernisse hinweg. Damit weckt er Erinnerungen an den schwarzen Bombenleger in der rasanten Eröffnungsjagd von Casino Royale und dürfte sie womöglich doch eher inspiriert haben. Denn David Belle, der Lino spielt, gilt als einer der Begründer der Parcours-Szene und lief schon zwei Jahre vor dem James Bond-Abenteuer so tänzerisch und energetisch über die Leinwand: nämlich in Pierre Morels Banlieue 13, für den auch schon Luc Besson das Drehbuch verfasst hat.
Nun hat Besson seine alte Geschichte zehn Jahre später von Paris nach Detroit verlagert und die Regie Camille Delamarre übertragen, der auf seine Erfahrungen als Cutter gewalttätiger Hochgeschwindigkeitsfilme wie Colombiana, Transporter 3 und 96 Hours – Taken 2 zurückgreifen kann. Die Grundstruktur hat er weitgehend vom Original übernommen, jedoch den Tonfall verändert. Wie dort besteht auch hier der größte Reiz in den halsbrecherischen Parcours-Stunts, die ganz ohne Computertricks auskommen. Und in der Chemie zwischen den beiden Hauptfiguren, zwei Einzelgängern, die zu den letzten Idealisten gehören, die dem kriminellen Lauf der Dinge noch etwas entgegensetzen und so widerwillig zu Verbündeten eines Action-Buddymovies werden.
Dystopische Städte sind häufig so verwahrlost, dass sich das Verbrechen darin nicht mehr kontrollieren, sondern nur noch hinter schwer abgeriegelte Mauern verbannen lässt. Auch im Detroit der nahen Zukunft hat sich die Regierung aus dem Ghetto zurückgezogen, Schulen, Krankenhäuser sind längst geschlossen, das Quartier ist weitgehend den Drogen- und Waffenhändlern überlassen, von denen sich die Polizei bezahlen lässt. Luc Bessons Kino ist reine Kinetik von Angriff und Verteidigung, von Flucht und Verfolgung. Die Story ist nur ein Vorwand für die Kampf- und Fluchtakrobatik der Helden, die mit betont analogen Waffen wie Ziegelsteinen, Betonklötzen, Ketten und Seilen kämpfen. Der im letzten November tödlich verunglückte Paul Walker variiert hier seine Rolle als Undercovercop in der illegalen Rennszene der Fast and Furious-Serie, mit der er berühmt geworden ist. Als er in den abgeriegelten Brick Mansions eine gestohlene Nuklearbombe ausfindig machen und entschärfen soll, ist er auf Linos Insiderkenntnisse des Ghettos angewiesen. Ihrem Gegenspieler, dem Drogenpaten Tremaine, verleiht der Regisseur und Rapper RZA ein Charisma, das ahnen lässt, dass der wahre Gegner nicht in den verwahrlosten Ghettokasernen, sondern in den sauberen Büros der Stadtverwaltung sitzt.
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