Kritik zu Interview

© Kinowelt/Arthaus

2007
Original-Titel: 
Interview
Filmstart in Deutschland: 
29.05.2008
L: 
84 Min
FSK: 
12

Der holländische Regisseur Theo van Gogh hatte das amerikanische Remake seines Films noch selbst geplant. Nachdem er 2004 ermordet wurde, sorgten seine Produzenten dafür, dass sein Wunsch verwirklicht wird

Bewertung: 4
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Aus jeder Pore des abgehalfterten Politikjournalisten Pierre Peters (von Steve Buscemi mit der uneitlen Rückhaltlosigkeit gespielt, für die er berühmt ist) dringen sein Desinteresse und seine Verachtung für das junge hübsche Horror-Movie-Starlet Katya (von Sienna Miller zwischen mondäner Noblesse und kindlicher Verletzlichkeit angelegt), das er interviewen soll, während er viel lieber in Washington im Zentrum eines politischen Skandals agieren würde. Nicht mal einen Hauch von geheucheltem Interesse bringt er für die Dame auf, die in seinen Augen vor allem für eine Brustverkleinerung und zahllose Affären berühmt ist. Dabei ist es eine schöne Ironie des Schicksals, dass er sich nach dem Abbruch des Interviews durch den düpierten Star eine kleine Kopfverletzung zuzieht, gerade weil die Frau, die er so schnöde missachtet, die Aufmerksamkeit seines Taxifahrers so nachhaltig auf sich zieht, dass er darüber das Fahren vergisst. Durch diesen kleinen Zwischenfall wiederum wird ihm ein Privileg zuteil, das ihn kaum weniger interessieren könnte, denn um ihn notdürftig zu verarzten, lässt Katya ihn ins private Heiligtum ihres New Yorker Lofts ein, wo die beiden über eine gute Stunde zu Sparringspartnern werden. So treibt das Remake von Theo van Goghs 2003 entstandenem Film den aufmüpfig spitzfindigen Geist seines Schöpfers noch ein wenig weiter, denn in seinem Original waren die Kontrahenten von vornherein in der Privatwohnung des Starlets verabredet.

Noch zu Lebzeiten hatte Theo van Gogh drei amerikanische Remakes seiner Filme geplant, neben »Interview«, »06« und »Blind Date«, allesamt kämpferische Duette zwischen einem Mann und einer Frau. Nach seiner Ermordung durch einen islamistischen Attentäter im November 2004 sind die Filme zu einer posthumen Hommage geworden, gedreht mit dem Team des holländischen Aufrührers, und in seinem Stil, mit drei gleichzeitig laufenden digitalen Kameras, die jeden der beiden Kontrahenten und die gesamte Szene im Blick haben, ein Kammerspiel nach den Regeln des Theaters gespielt, mit der unmittelbaren Direktheit des Kinos seismographisch aufgezeichnet.

Mal umkreisen sich der Mann und die Frau wie lauernde Raubtiere im Käfig, mal tollen sie wie verspielte Welpen herum, oszillierend zwischen der fiebrigen Nervosität des Kennenlernens und der trägen Schläfrigkeit einer langen, alkoholisierten Nacht. Beide sind beruflich der Wahrheit auf der Spur und sind doch zugleich notorische Lügner, beide habe sich einen professionellen Panzer aus Zynismus und Weltekel, aus Oberflächlichkeit und Nichtigkeit zugelegt, er an den Kriegsschauplätzen der Welt, sie im Celebrity-Zirkus der Medienöffentlichkeit. So entspinnt sich ein raffiniertes Spiel um die Kraftverhältnisse zwischen Journalist und Promi, ein Balanceakt zwischen Wirklichkeit und Illusion, mit dem die beiden ganz beiläufig und doppelbödig auch ihre eigenen Rollen als Schauspieler reflektieren.

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