Nachruf: Hannelore Hoger

Hannelore Hoger © epd-bild / Andreas Schoelzel

Hannelore Hoger © epd-bild / Andreas Schoelzel

20. 8. 1939 – 21. 12. 2024

Es tut den Filmen von Alexander Kluge mitunter gut, wenn es etwas gibt, das sie zusammenhält. In zweien seiner frühen Filme ist es die Schauspielerin Hannelore Hoger. Sie bringt etwas Handfestes und Aufmüpfiges in die Filme ein. In »Die Artisten in der Zirkuskuppel: Ratlos« aus dem Jahr 1968, Kluges zweitem Spielfilm, ist sie die Zirkusdirektorin Leni Peickert, die den Betrieb von ihrem Vater geerbt hat. Der ist in einem Anfall von Melancholie zu Tode gestürzt. Sie will einen Reformzirkus daraus machen, mit »authentischer« Tierhaltung, scheitert aber an den ökonomischen Realitäten. Natürlich kann man das als eine Parabel auf das Funktionieren von Kunst im Kapitalismus lesen, und Kluge zeigt schon in den ersten Minuten Wochenschauaufnahmen vom »Tag der deutschen Kunst« 1939, den die Nazis veranstalteten. Immer wieder hat Kluge Archivaufnahmen und improvisierte Szenen in seinen Film eingearbeitet. 

Das assoziative Moment und die Collagenform hat Kluge zehn Jahre später in »Die Patriotin« weiter vorangetrieben. Da ist Hoger die hessische Geschichtslehrerin Gabi Teichert, die mit Wollmütze gräbt und nach der deutschen Geschichte forscht und in einem Laboratorium zu Hause experimentiert. Und sie sucht die Geschichte auf, etwa auf dem Bundesparteitag der SPD 1978 in Hamburg, eine der beeindruckendsten Szenen des Films. Außerdem ist da das Knie des Gefreiten Wieland, das durch einen Assoziations- und Bilderstrom zu Jahrtausenden deutscher Geschichte reist, den man – im Unterschied zu späteren Filmen Kluges – gut goutieren kann. 

Als Hoger mit Kluge arbeitete, hatte sie schon jede Menge Bühnenerfahrung, sie spielte in der legendären Zadek-Zeit in Bochum, und dem Theater ist sie auch immer treu geblieben. Genau wie dem Neuen Deutschen Film und dem deutschen Autorenkino, von »Die verlorene Ehre der Katharina Blum« (1975) von Schlöndorff/Trotta über »Heinrich« (1977) von Helma Sanders-Brahms bis zu »Die zweite Heimat« (1993) von Edgar Reitz. Für den Fernsehautor Egon Monk hat sie in »Bauern, Bonzen und Bomben« (1973) und »Die Bertinis« (1988) mitgespielt. Ihre bekannteste Rolle hatte sie ebenfalls im TV: die der Kriminalhauptkommissarin Bella Block. Sie war nicht die erste Kommissarin des deutschen Fernsehens, aber sicherlich die prägendste und Rollenmodell für viele weitere, in 38 Folgen, von 1993 bis 2018, mit ambitionierten Regisseuren wie Max Färberböck und Rainer Kaufmann. Bella Block löst ihre Fälle mit Gespür und durchaus mal unkonventionell – Alexander Kluge würde sagen: mit Eigensinn.

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