Nachruf: Monica Vitti
Monica Vitti (1995)
Schauspielerin, 3.11.1931 – 2.2.2022
Zuerst war ihm ihre heisere Stimme aufgefallen, und so besetzte er sie als Synchronstimme der weiblichen Hauptrolle in »Der Schrei«. Dann fiel ihm auf, wie schön ihr Nacken sei: wie geschaffen fürs Kino. Was, fragte sie ihn spöttisch, du willst mich nur von hinten filmen?
Monica Vitti war vielleicht die Muse, aber nie ein fügsames Instrument des Regisseurs Michelangelo Antonioni. Sie war die Mitautorin der Rollen, die sie bei ihm spielte. Antonioni hatte sie auf der Bühne in einer Farce von Feydeau entdeckt, wo sie ihr Talent als Komödiantin bewies. Das behielt er womöglich im Hinterkopf, als er sie im Kino ganz andere Rollen verkörpern ließ. In »Die mit der Liebe spielen«, »Die Nacht«, »Liebe 62« und »Die rote Wüste« wurde sie zu einer Ikone der Moderne. Natürlich filmte er sie von vorn. In den Augen der 1931 in Rom als Maria Luisa Ceciarelli geborenen Schauspielerin leuchtete ein wehmütiges Staunen über die Welt.
Ihr Blick bezeugte die Vergeblichkeit der Liebe. Diese scheiterte an der Flüchtigkeit, am Terror der Zerstreuung. Den Gefühlen fehlte in diesem filmischen Kosmos der Entfremdung scheinbar jeder Antrieb, aber Vittis Sinnlichkeit und Vitalität legten Widerspruch ein. Furchtlos stellte sie sich der existenziellen Leere. Ihre Figuren waren Suchende, die sie wachsam mit Energie, Zweifel und Ironie ausstattete. So gelang es ihr, in Rollen, die nicht zur Identifikation ermutigten, dennoch einen Pakt mit dem Publikum zu schließen.
Dieser wurde umso fester geschlossen, als sie sich nach der Trennung von Antonioni verstärkt der commedia all’italiana zuwandte. Auch in diesem Register glänzte sie als eine Figur der Moderne, nun aber tatkräftiger, entschlossener und kapriziöser. Die Schauspielerin, die nicht an ihre Schönheit glaubte, konnte ihrem Temperament vertrauen. In »Mit Pistolen fängt man keine Männer« (Mario Monicelli, 1968) und »Eifersucht auf italienisch« (Ettore Scola, 1970) feierte sie ihre größten Erfolge; in dem Episodenfilm »Noi donne, siamo fatte cosi« (Dino Risi, 1971) gab sie zwölf unterschiedlichen Frauen boulevardeske Kontur. In Komödien blieb sie zwei Jahrzehnte lang ein verlässlicher Gefühlswert an den Kinokassen, erweiterte aber auch ihr Ausdrucksspektrum in Filmen von Luis Buñuel, André Cayatte und Michael Ritchie. Kostümfilme mied sie wohlweislich, schlug Angebote aus, als Angélique oder Catarina de Medici in »Die Bartholomäusnacht« aufzutreten. Vitti zog es vor, eine Zeitgenossin ihres Publikums zu bleiben.
Nach ihrem Regiedebüt »Scandalo segreto« (1989) verabschiedete sie sich aus dem Filmgeschäft, nahm 1995 in Venedig einen Goldenen Löwen für ihr Gesamtwerk entgegen und zog sich danach ins Privatleben zurück. Sie litt an Alzheimer. Zu ihrem 90. Geburtstag im letzten November dekorierte ein unbekannter Bewunderer das Viertel Trastevere mit Plakaten von ihr, auf die er »Monica, amore nostro« geschrieben hatte. Der Pakt war noch immer gültig; auch 20 Jahre nach ihrem letzten Auftritt in der Öffentlichkeit.
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