Berlinale Generation: Tragische Erinnerungen
»Comedy Queen« (2022). © Ola Kjelbye
Kplus in der Sektion Generation: Die Verhältnisse in der Welt halten keine Happy Ends mehr nach traumatischen Erlebnissen bereit
Nach Jahrzehnten, in denen Maryanne Redpath für das Generation-Programm, also das Angebot an Kinder- und Jugendfilmen, in verschiedenen Funktionen zuständig war, war dies ihre letzte Ausgabe. Seit 2009 hat Redpath die Sektion allein geleitet und ihr einen ganz eigenen Fokus verliehen mit Filmen, die ästhetisch hoch anspruchsvoll waren, aber für Kinder in ihrer Thematik manchmal überfordernd. Dieser Ausrichtung ist sie auch in ihrer letzten Ausgabe treu geblieben. In diesem Jahr waren es vor allem Familien in unterschiedlichsten Konstellationen und mit tragischen Erinnerungen, die die Filmauswahl bestimmten.
Den Tenor setzte schon der niederländische Eröffnungs-Puppentrickfilm »Knor« von Mascha Halberstad, der vermeintlich lustig daherkam, aber mit einer tiefen Enttäuschung endet. Denn der Opa, den die kleine Babs bis vor kurzem noch nicht kannte und zu dem sie großes Vertrauen aufbaut, stellt sich als berechnender alter Fiesling heraus. Das müssen sowohl die Enkelin als auch das Publikum erst einmal verkraften. Um eine nicht funktionierende Familie geht es auch im herausragenden irischen Film »A quiet girl« von Colm Bairéad (lobende Erwähnung). Eine vielköpfige
Familie schickt eines der Mädchen während der Sommerferien zu Bekannten auf eine Farm.
Hier lernt Cáit das erste Mal so etwas wie Glück und Geborgenheit bei einem alten Ehepaar kennen. Eine wunderbare langsame Erzählung, die von der ersten Erfahrung wahrer Zuneigung erzählt. Ein Happy End bleibt auch in diesem Film aus, denn Cáit muss wieder zurück und wird ebenso schroff von der Familie empfangen, wie sie vor Wochen schon abgeschoben wurde. Beeindruckend ist der Dokumentarfilm »Terykony« von Taras Tomenko, der die 13-jährige Nastysa beobachtet, die in der Kriegsregion der Ostukraine ihren Vater bei einem Raketenangriff verloren hat. Es sind dystopische Bilder, die Tomenko für die Gefühlswelt der Jugendlichen findet. Nichts ist geblieben und die Zukunft so düster wie die schwarze Kohlelandschaft, durch die Nastya mit ihrer Clique zieht. Auch hier keine Hoffnung, denn die politischen Verhältnisse lassen dies gar nicht zu, und die Menschen dort haben sich mit Resignation ihrem Schicksal ergeben.
Der schwedische Preisträgerfilm »Comedy Queen« von Sanna Lenken lebt vor allem von der unfassbar tollen 13-jährigen Schauspielerin Sigrid Johnson, die ihrer Figur Sasha eine tiefe Traurigkeit verleiht, auch wenn sie vordergründig so tut, als gehe sie der Tod ihrer Mutter nichts an. Sasha stemmt sich gegen jeden Impuls, ihre Tränen zuzulassen, und versucht mit selbst auferlegten Zielen, die Mutter aus ihrem Gedächtnis zu streichen. Eines der Ziele ist, Comedy Queen zu werden, damit sie ihren Vater wieder zum Lachen bringt. Als ihr dies tatsächlich gelingt, bricht sie weinend zusammen und kann endlich ihrer Trauer Raum geben und sich eingestehen, wie sehr sie ihre Mutter vermisst. Ein wenig Hoffnung gibt es dann also doch noch.
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