21. Filmfest Edimotion – Ein Stück Normalität
»Echo Park« (1985)
Edimotion feiert die Kunst des Filmschnitts in fast vorpandemischer Festivalatmosphäre und würdigt mit Ingrid Koller erstmals eine Österreicherin mit dem Ehrenpreis für ihr Lebenswerk
Zum Auftakt feierte das Publikum den Eröffnungsfilm Echo Park mit Lachern und Applaus. Editorin Ingrid Koller, die die Komödie 1985 montiert hatte, widersprach trocken und in Wiener Schmäh: »So lustig war es nun auch wieder nicht«. Der ausgelassene Start mit dem in Deutschland kaum bekannten Independent-Film über drei skurrile Figuren, darunter Tom Hulce in seiner ersten Rolle nach Miloš Formans »Amadeus«, setzte den Ton für die 21. Ausgabe des Edimotion Festival für Filmschnitt und Montagekunst.
Durch eine konsequent angewandte 3G-Regelung und entzerrte Programmierung war eine hohe Auslastung der Kinosäle möglich. Viele der 18 für die diversen Preise nominierten Editor:innen gaben vor Ort Einblick in ihre Praxis, viele Nachwuchseditor:innen und Filmstudierende genossen Austausch und Vernetzung jenseits des virtuellen Raums. Das Wettbewerbsprogramm bot die Gelegenheit, bekannte Spiel- und Dokumentarfilme wie Bettina Böhlers dokumentarische Schlingensief-Hommage noch mal auf großer Leinwand zu erleben. Die Deutschlandpremieren zweier Schweizer Dokumentarfilme stachen besonders hervor. Mit »I’ll Be Your Mirror« hinterfragt Künstlerin und Regisseurin Johanna Faust ihre eigene Rolle als Mutter und arbeitet gleichzeitig ihre Beziehung zu Mutter und (Groß-)Mutter auf, Rune Schweitzer montierte aus 15 Terabyte Material ein generationenübergreifendes Roadmovie, das wertfrei und assoziativ gesellschaftliche Normen von Mutterschaft reflektiert.
»The Bubble« beobachtet die in Florida gelegenen »Villages«, eine Art gated community, wo 150 000 mehrheitlich weiße Senioren ihren Lebensabend zwischen Golf- und Schießplatz genießen. Der Film erkundet den ständig ins Umland expandierenden, unwirklichen Ort, der alteingesessene Communities verdrängt, und bezieht Haltung, ohne die Bewohner der Villages zu exponieren. Die Filmgespräche mit den Editorinnen Rune Schweitzer und Nela Märki demonstrierten eindrücklich, welche Entscheidungen im Schneideraum getroffen werden müssen und wie immens der Einfluss der Montage auf Narration, Wirkung und Atmosphäre des fertigen Films ist.
Ein schönes Signal europäischer Solidarität unter Filmschaffenden war die Wahl von Großbritannien als Gastland. Ein Jahr nach dem Brexit zeigten sich hier bereits bürokratische Tücken, als die Kopie von Rocks beim Kölner Zoll feststeckte und kurzerhand eine HD-Datei gezeigt werden musste. Das für zahlreiche BAFTAs nominierte Sozialdrama um eine Clique Teenager in London wird durch die vitale Energie der Darstellerinnen getragen und entfaltet eine Wucht, mit der das New British Cinema im Stile Mike Leighs oder Ken Loachs durch einen diversen, weiblichen Cast modernisiert wird.
Die Auswirkungen der Pandemie auf alle Bereiche des Filmgeschäfts wurden an vielen Stellen sichtbar und zeigten sich auch in der erneut hybriden Form des Festivals, obwohl fast vorpandemisches Festivalfeeling aufkam. Statt sich mit dieser allmählich zurückkehrenden Normalität zufriedenzugeben, positionierte sich die 21. Ausgabe in anderer Hinsicht progressiv: Durch Verzicht auf PKW-Shuttles, mit vegetarischem Catering, Ökostrom und der Kompensation unvermeidbarer CO2-Emissionen konnte sich Edimotion als erstes NRW-Festival mit dem Prädikat klimaneutral schmücken.
Im Mittelpunkt stand jedoch Ingrid Koller, die als erste Österreicherin mit dem Ehrenpreis Schnitt gewürdigt wurde. Ihre Filmografie ist mit 200 Serienepisoden und 60 Langfilmen nicht nur quantitativ beeindruckend, sondern deckt sich auch mit den erfolgreichsten Filmen der österreichischen Filmhistorie. Die Meisterin populärer Stoffe stand für ein ausführliches Werkstattgespräch zur Verfügung und präsentierte die bitterböse Farce »Hinterholz 8«, eine ihrer zahlreichen Kollaborationen mit Regisseur Harald Sicheritz. Echo Park-Regisseur Robert Dornhelm überließ ihr schon bei der Eröffnung die Bühne und erwies mit dem Bekenntnis »Bei mir entstehen die Filme immer erst im Schnitt« nicht nur Ingrid Koller, sondern auch allen anderen Editoren und Editorinnen die Ehre.
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