Interview mit Mimi Leder über ihren Film »Die Berufung«
»Die Berufung – Ihr Kampf für Gerechtigkeit« (2018). © eOne
Mimi Leder 1952 in New York geboren, begann Mimi Leder ihre Karriere als Kamerafrau, übernahm aber schon bald Regiejobs für Fernsehproduktionen. Ihre preisgekrönte Arbeit für »Emergency Room« brachte sie schließlich zum Kino, wo sie sich durch Filme wie »The Peacemakers« und »Deep Impact« als rare Frau im Action-Kino einen Namen machte, bevor sie mit »Das Glücksprinzip« einen Flop erlebte und sich zurück ins Fernsehen verbannt sah
Wie schwierig war es, die richtige Hauptdarstellerin für Die Berufung zu finden?
Als mir der Film angeboten wurde, war Natalie Portman als Hauptdarstellerin mit an Bord, die dann doch wieder absagen musste. Natürlich war die Besetzung der Schlüssel zum Gelingen dieses Films. Bader Ginsburg ist schließlich im wahrsten Sinne des Wortes eine Heldin. Felicitys Filme überzeugten mich, und ein Vergleich mit Fotos der jungen Ruth Bader Ginsburg tat ein Übriges. Die war nämlich in ihren Zwanzigern und Dreißigern, von denen unser Film erzählt, ein echter Hingucker und Felicity durchaus ähnlich.
Sie haben häufig zu Protokoll gegeben, dass Bader Ginsburg eine Frau ist, die Sie persönlich sehr bewundern. Macht das die Arbeit an einem solchen Film schwieriger?
Sicher, aber jeder Film kann in dieser Hinsicht schwierig werden, denn als Künstler entwickelt man ja immer jede Menge persönliche, sehr leidenschaftliche Gefühle für seine Projekte. Es hilft jedoch, wenn man sich nicht jeden Tag das reale Vorbild vor Augen führt, sondern daran denkt, dass es sich um Fiktion handelt.
Apropos Fiktion: Wie viel Freiheit konnten Sie sich gegenüber der Realität herausnehmen?
Das Drehbuch stammt von ihrem Neffen Daniel Stiepleman, der natürlich dafür gesorgt hat, dass alle wichtigen Parameter stimmen. Und wir haben dafür gesorgt, dass alles Juristische seine Richtigkeit hat. Vor allem aber habe ich viel Zeit mit ihr persönlich verbracht. Denn das, was ich in erster Linie wahrhaftig einfangen wollte, war ihre Persönlichkeit.
Wann tauchte Bader Ginsburg eigentlich auf Ihrem Radar auf?
Wie vermutlich viele Amerikaner nahm ich sie bewusst erst richtig wahr, als sie unter Clinton zur Richterin am Supreme Court berufen wurde. Ihr Aufstieg zum kulturellen Phänomen begann erst später, nicht zuletzt dank des Buchs »The Notorious RBG« und dieses etwas albernen Rap-Songs, den es dazu gab.
Heute kennt der Hype um sie keine Grenzen mehr. Was sicherlich auch an Trump liegt...
Keine Frage. In diesen sehr besonderen Zeiten ist es wichtiger denn je, dass Ruth Bader Ginsburg am Supreme Court bleibt, so lange sie kann. Ihr Plan ist es, bis zu ihrem 90. Geburtstag weiter als Richterin tätig zu sein, das sind noch fünf Jahre. Hoffentlich haben wir bis dahin einen neuen Präsidenten...
Bader Ginsburg setzte sich gegen viele Widerstände durch, wie auch Die Berufung zeigt.
Sie war jüdisch, eine Frau und hatte Kinder. Alle drei Tatsachen sprachen am Beginn ihrer Karriere eindeutig gegen sie. Aber sie hat sich weder von Antisemitismus noch vom Sexismus aufhalten lassen, sondern im Gegenteil erst recht zu kämpfen begonnen.
Sie selbst sind ebenfalls eine jüdische Frau und Mutter. Wie sehr stand Ihnen das beruflich im Weg?
Mal mehr, mal weniger, aber letztlich konstant. Nicht so sehr das Jüdisch-Sein, aber ich musste mich immer und immer wieder gegen sexistische Männer durchsetzen. Früher deutlich mehr als heute. Als ich anfing, Filme zu drehen, wurde man als Regisseurin angeguckt als käme man vom Mars. Eine Frau, die einem Haufen Männern sagt, was sie zu tun haben – wo kommen wir denn da hin? Wenn es ganz schlimm wurde, habe ich auch Crew-Mitglieder gefeuert. Das ist schon länger her, aber Respektlosigkeit begegnet mir immer noch oft. Als ich etwa bei der Serie »The Leftovers« die Regie übernahm, zweifelte der Kameramann am ersten Tag vor versammeltem Team meine Entscheidungen an und fragte, ob ich die Show überhaupt kenne. Ich war nicht die Einzige, die fassungslos war. Er hat sich dann noch am gleichen Tag entschuldigt und ich habe ihm verziehen. Aber natürlich ist mir klar, dass er sich das bei einem Mann nie getraut hätte.
Sie haben viele schwierige Phasen in Ihrem Beruf durchlebt, nicht zuletzt nach dem Flop des Kinofilms »Das Glücksprinzip« im Jahr 2000.
Ich war stolz auf »Das Glücksprinzip«. Ganz zu schweigen davon, dass es bis heute viele Menschen gibt, die den Film sehr lieben, selbst wenn er damals an den Kinokassen die Erwartungen nicht erfüllte. Aufgeben kam nicht infrage, also habe ich einfach angefangen, fürs Fernsehen zu arbeiten. Ich kann nicht leugnen, dass es lange gedauert hat, emotional darüber hinwegzukommen, wie ich in Hollywood nach »Das Glücksprinzip« behandelt wurde. Das war nicht fair.
Sie saßen, wie man es branchenintern nennt, im Film-Knast (»movie jail«) und bekamen keine Jobs mehr. Weil Sie eine Frau sind?
Anders kann ich es mir nicht erklären. Klar, »Das Glücksprinzip« war ein Flop, aber vom Budget her auch nur ein mittelgroßer Film. Zur gleichen Zeit gab es einen männlichen Kollegen, der eine Produktion von 250 Millionen Dollar in den Sand setzte – und zur Belohnung gleich nochmal so ein Riesending drehen durfte. Hollywood ist einfach ein Männer-Club.
Wie schnell realisiert man eigentlich, dass man in diesem Film-Knast gelandet ist?
Das dauert ein wenig. Bei den ersten paar Jobs, die ich nicht bekam, dachte ich mir noch nicht allzu viel. Endgültig klar wurde mir meine Position, als ich begriff, dass es an meiner eigentlichen Arbeit nicht liegen konnte, weil ich beim Fernsehen als Regisseurin heiß begehrt war. Das war eine schmerzhafte Erfahrung, die in dieser Form in meinem Beruf fast nur Frauen machen. Und dass es dann genau diese Serien-Jobs waren, durch die mich später die Filmbranche wieder zurückhaben wollte, ist bittere Ironie.
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