Interview mit Emily Atef über Ihren Film »3 Tage in Quiberon«
Emily Atef. Foto: Jessica Backhaus (2018)
Emily Atef: In Berlin geboren, als Tochter eines iranisch-französischen Paares, schloss Atef 2008 ihr Filmstudium an der DFFB ab. Bereits 2005 war sie mit ihrem Langfilmdebüt »Molly's Way« in Erscheinung getreten. Es folgten »Das Fremde in mir« (2008) und »Töte mich« (2012)
In »3 Tage in Quiberon« erzählen Sie von einem Interview, das Romy Schneider dem »Stern« 1981 gegeben hat. Warum hat sich Schneider damals den zudringlichen Fragen des Reporters Michael Jürgs gestellt?
Romy Schneider hatte große Probleme mit der deutschen Presse, die sie fertig gemacht und ihr nie vergeben hat, dass sie nach Frankreich abgehauen ist. Sie wollte den deutschen Lesern und Zuschauern erzählen, wer sie wirklich ist. Dass sie nicht mehr »Sissi«, sondern, wie sie sagt, »eine unglückliche Frau von 42 Jahren« sei.
Glauben Sie, sie hat mit dem Interview ihr eigenes Ziel erreicht?
Sie hat es geschafft, sich der deutschen Öffentlichkeit zu erklären. Aber das Interview hat ihr nicht geholfen, die ersehnte Ruhe zu finden, weil es wieder alles aufgewühlt hat. Was mich an der Geschichte so berührt, ist die Frage, wie man als öffentliche Person seine eigene Balance im Leben finden kann. Man braucht ein großes Selbstbewusstsein, um mit diesem unglaublichen Ruhm umgehen zu können. Das ist heute angesichts von Internet und sozialen Medien natürlich noch viel schlimmer. In den Achtzigern wurde etwas in einem Magazin veröffentlicht und war nach einer gewissen Zeit vergessen. Heute sagt man was Falsches und es verfolgt einen ein Leben lang.
In Ihrem Film wird Michael Jürgs als manipulativer Reporter gezeichnet, der gezielt an der Verunsicherung seiner Interviewparterin arbeitet …
Als ich das Interview zum ersten Mal las, war ich sehr überrascht, wie weit Jürgs mit seinen Fragen geht und wie weit Romy Schneider sich ihm ausliefert. Aber die Figur im Film entwickelt sich. Am Anfang wird Jürgs als sehr ehrgeiziger, junger Journalist dargestellt. Aber ohne dass er es merkt, wird er so berührt von dieser Frau, dass er am Ende seine Arbeit stark hinterfragt.
Wie hat Michael Jürgs, der neben Robert Lebeck ihr wichtigster Zeitzeuge war, auf das Drehbuch reagiert?
Michael Jürgs war unglaublich hilfreich und hat mir alle Freiheiten gelassen. Ich hatte natürlich Bammel, als ich ihm das Buch schickte. Ich habe ihn vorbereitet und zu ihm gesagt: »Du bist der Antagonist. Das Publikum liebt Antagonisten. Wir brauchen Antagonisten.« Nach dem Lesen war er dann doch schockiert. Sein erster Satz war: »Ich bin ja ein Satan von Anfang bis Ende.« Da musste ich ihm lange erklären, welche Entwicklung die Figur durchmacht. Im Film spricht Romy Schneider ihm ja am Ende ihr Vertrauen aus, weil sie eben nicht nur ein Opfer ist, sondern selbst weiß, wie sie Leute für sich einnehmen kann. Mittlerweile steht Michael Jürgs vollkommen hinter dem Film, weil er in ihm die Gefühle und die Atmosphäre jener Tage wiederfindet, auch wenn er ganz klar sagt: »Das bin ich nicht so ganz.« Und das stimmt auch. Wenn man das echte Interview liest, fragt er nicht so rücksichtslos wie meine Figur im Film.
Warum haben Sie »3 Tage in Quiberon« in Schwarz-Weiß gedreht?
Ausgangspunkt waren die Fotos von Robert Lebeck im »Stern«, der Romy Schneider und die Landschaft der Bretagne in diesen wunderbaren, kontrastreichen Schwarz-Weiß-Aufnahmen abgelichtet hat. Ich habe mich Stunden und Tage in dieses Material eingearbeitet und als ich danach mit dem Drehbuchschreiben anfing, konnte ich mir alles immer nur in Schwarz-Weiß vorstellen.
Schaut man sich Ihre früheren Filme an, scheinen Sie Frauenfiguren in Krisensituationen besonders zu interessieren?
Das ist nicht unbedingt eine bewusste Entscheidung. Aber die Psychologie von Frauen, die durch eine Krise gehen und sich dort wieder herausarbeiten, inspiriert mich. Ob das die Hölle einer Depression ist wie in Das Fremde in mir oder ein 16-jähriges Mädchen, das sich umbringen will und wieder zum Leben zurückfindet in Töte mich. Eigentlich wäre ich nie auf die Idee gekommen, einen Film über Romy Schneider zu machen, wenn die Produzenten nicht auf mich zugekommen wären. Aber als ich das Interview und die Fotos sah, erkannte ich eine Frau, die so alt war wie ich und sich mit Themen beschäftigte, die mir sehr nahe sind: Wie schafft man es, eine gute, präsente Mutter zu sein und in dem Beruf zu arbeiten, der einem so viel bedeutet, aber zur Folge hat, dass man weg von zu Hause ist?
Wie steht es um die Gleichberechtigung im Filmgeschäft, die ja gerade auch durch die #MeToo-Debatte im Fokus steht?
Wenn ein Mann in einem Künstlerberuf vier Kinder hat, denken alle: »Wow, das ist ein potenter Mann, der das alles schafft.« Bei einer Regisseurin, die vier Kinder hat, denken alle: »Das ist aber problematisch. Was ist, wenn das Kind krank wird? Kann die überhaupt die Verantwortung für ein so großes Budget übernehmen?« Das sind alte Strukturen und Stereotypen, die einfach verschwinden müssen. Es ist viel schlimmer, einen Alkoholiker am Set zu haben, der immer verpennt oder aggressiv ist, als eine Mutter, die nichts trinkt, weil sie stillen muss, aber immer parat ist.
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