Interview mit dem Regisseur Tom Ford über »Nocturnal Animals«

Sieht aus wie eine Parfümwerbung! Ich hasse diesen Vorwurf«
Tom Ford am Set von »Nocturnal Animals«

Tom Ford am Set von »Nocturnal Animals«

epd Film: Mr. Ford, nach Ihrem Debüt »A Single Man« basiert nun auch »Nocturnal Animals« auf einem Roman. Was reizte Sie an »Tony & ­Susan« von Austin Wright?

Tom Ford: Ich habe das Buch 2011 für mich entdeckt, als es in England wieder aufgelegt wurde. Ich war sofort begeistert und konnte es nicht mehr weglegen. Zum Glück gelang es mir schnell, die Filmrechte zu sichern. Eigentlich hatte ich keine Ahnung, wie ich diese Geschichte auf die Leinwand bringen würde, schließlich ist die Erzählstruktur relativ kompliziert. Aber wenn ich in der Filmbranche eines gelernt habe, dann dass man zuschlagen sollte, wenn man auf einen Stoff derart intuitiv und stark reagiert.

Worauf reagierten Sie denn so intensiv?

Für mich erzählt das Buch unter anderem davon, dass man Menschen nicht aus seinem Leben streichen sollte, die einem etwas bedeuten. Das ist eine Botschaft, die mir sehr am Herzen liegt. Ich bin ein sehr loyaler Mensch, nicht umsonst bin ich mit meinem Mann seit fast 30 Jahren zusammen.

Interessanterweise sind allerdings Ihre Protagonisten eher einsame Menschen, ob Colin Firth in »A Single Man« oder nun Amy Adams in »Nocturnal Animals«.

Allerdings haben sie sich nicht für die Einsamkeit entschieden, sondern suchen entweder nach Beziehungen zu anderen Menschen, oder sie hatten sie mal. Außerdem: Nur weil ich selbst nicht einsam bin, heißt das nicht, dass ich nicht viel mit Amys Figur gemeinsam hätte. Wahrscheinlich gilt auch für mich als Filmemacher, was man oft über Schriftsteller sagt: Letztlich beschäftigt man sich in seinen Werken vor allem mit sich selbst.

Wo sehen Sie denn Gemeinsamkeiten zu dieser Susan?

Genau wie sie als Galeristin trage ich als Filmemacher und Modeschöpfer zur Produktion unserer modernen Kultur bei. Oder drastischer formuliert: Ich tue meinen Teil dazu, dass dieser endlose Strom von Dingen existiert, die die Menschen kaufen wollen. Was meine Rolle in dieser Welt des Dauerkonsums angeht, bin ich hin und her gerissen.

Mit Jake Gyllenhaal in einer Art Doppelrolle hat »Nocturnal Animals« auch einen männlichen Protagonisten...

Stimmt, und der ist als Gegenpol enorm wichtig. Denn letztlich wirft der Film für mich auch einen Blick darauf, was heute Männlichkeit und Weiblichkeit bedeuten. Auch heute wachsen manche Mädchen noch damit auf, dass ihnen eingetrichtert wird, sie müssten schön sein, Kinder bekommen und für das perfekte Zuhause sorgen. Und Jungs bekommen – nicht zuletzt an Orten wie meiner Heimat Texas – vermittelt, dass sie stark sein und Football spielen müssen, dass sie mit einer Waffe umgehen und alle versorgen können müssen. Darunter habe ich früher enorm gelitten. Deswegen ist auch Jakes Figur so wichtig für mich: Er ist sensibel, glaubt an sich selbst, aber auch an die Frau an seiner Seite und ist deswegen am Ende derjenige, der sozusagen triumphiert.

Fiel Ihnen die Arbeit mit Schauspielern anfangs schwer? Es ist ja sicherlich etwas anderes als Models auf einem Laufsteg...

Natürlich müssten Sie meine Schauspieler selbst fragen. Aber ich würde von mir selbst durchaus behaupten, dass ich ein Händchen für die Arbeit mit ihnen habe. Eben weil ich schnell verstanden habe, dass man ihnen jeweils ihren eigenen Raum geben muss.

Und was, würden Sie sagen, macht Sie stilistisch als Filmemacher aus?

Nach meinem ersten Film hätte ich so etwas noch kein bisschen sagen können. Denn eigentlich entscheide ich bei der Arbeit ausschließlich intuitiv. Welche Aufnahme mir gefällt, welches Thema ich vertiefen will – das sind eher Bauchentscheidungen und nichts, was auf einer Theorie basiert. Erst jetzt, wo ich einen zweiten, fertigen Film habe, kann ich die beiden nebeneinanderhalten und auch visuell Parallelen entdecken.

Zum Beispiel?

Inzwischen kann ich auf jeden Fall von mir sagen, dass ich eine gewisse Überhöhung der schnöden Realität bevorzuge. Gerade was die Emotionen angeht, mag ich ein bisschen Übertreibung, in diesem Fall in Richtung Melodram. Und natürlich bin ich ein Fan davon, Dinge schön in Szene zu setzen. Allen voran meine Schauspieler, denn ich bin altmodisch und will, dass Filmstars auch wirklich echte Filmstars sind. Mir ist das Licht in der Gardine im Hintergrund nicht so wichtig wie die Gesichter meiner Protagonisten. Ich möchte ihre Augen sehen und die Emotionen in ihren Gesichtern.

Manchmal liest man ja die Kritik, Ihre Filme seien zu schön, mehr Schein als Sein.

Ich weiß: Sieht aus wie eine Parfümwerbung! Ich hasse diesen Vorwurf. Denn ich glaube, dass er nur deswegen kommt, weil die Leute wissen, was ich in meinem zweiten Beruf tue. Wie gesagt: Ich mache kein Hehl daraus, dass ich schöne Dinge und schöne Menschen liebe. Ohne mich mit ­Alfred Hitchcock vergleichen zu wollen: Der hat auch Wochen damit zugebracht, sich um die Frisuren und Kostüme seiner Hauptdarstellerinnen zu kümmern. Ist doch auch selbstverständlich, denn all diese Details tragen zum Verständnis der Figuren bei.

Da Sie gerade Ihren anderen Beruf erwähnt haben: Wie setzen Sie zwischen Modeschöpfen und Filmemachen die Prioritäten?

Das kann ich so nicht beantworten. Ich liebe es, Filmemacher zu sein, und nehme die Sache verdammt ernst. Als Modedesigner bin ich unterdessen seit 30 Jahren tätig, und auch wenn ich nicht sagen würde, dass das ein Kinderspiel ist, ist es doch etwas, das mir leichtfällt, weil ich es gewohnt bin. Deswegen übt Film derzeit den größeren Reiz aus: Das ist frisch und neu und immer noch eine große Herausforderung.

Insgesamt allerdings halten Sie beide Berufe strikt voneinander getrennt, nicht wahr?

Unbedingt. Da bin ich geradezu übervorsichtig. Ich würde zum Beispiel nie die Tom-Ford-Werbespots inszenieren. Und in »Nocturnal Animals« ist kein einziges Tom-Ford-Produkt zu sehen, obwohl Susan sicherlich in meinen Läden einkaufen würde. Aber wie gesagt: Das Filmemachen ist für mich kein amüsanter Zeitvertreib. Ich möchte als Regisseur ernst genommen und unabhängig vom Mode­designer Tom Ford gesehen werden.

 

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