Triumph für »Victoria«
»Victoria« © Senator
Als Sebastian Schipper den Preis für die beste Regie entgegennahm, sagte er, dass er diese Lola allen übergangenen und enttäuschten Regisseuren widme. Mit ihm waren Johannes Naber (Zeit der Kannibalen), Dominik Graf (Die geliebten Schwestern) und Edward Berger (Jack) nominiert. Eine nette Geste. Die auch wieder etwas Gerechtigkeit herstellte, denn schließlich hatte sein Film »Victoria« zu diesem Zeitpunkt schon die dritte Staue errungen. »Victoria«, eine Geschichte aus dem nächtlichen Berlin, die sich vom Herumdriften zu einem Banküberfall steigert, wurde in einer einzigen Einstellung gedreht, ein wahnwitziges Unterfangen, fast zweieinhalb Stunden lang.
»Victoria« machte den Durchmarsch an diesem Abend, wie vor zwei Jahren »Oh Boy«. Sechs Lolas hat er errungen (von sieben Nominierungen), und natürlich auch die Goldene Lola für den besten Film. Die beiden Hauptdarsteller, Laia Costa und Frederick Lau, durften sich ebenso über eine Lola freuen wie der Kameramann Sturla Brandt Groylen, für den die zweieinhalb Stunden ziemliche Knochenarbeit gewesen sein mussten.
Sicherlich, »Victoria« war von Anfang an der Favorit bei der 65. Verleihung der Deutschen Filmpreise, durch den sehr souverän der Zeremonienmeister Jan Josef Liefers führte. Aber natürlich hat es Hautgout, wenn ein Film, auch wenn es ein außergewöhnlicher ist, sechs Lolas bei 18 zu verteilenden gewinnt. Das suggeriert, dass dieser Film das herausragende künstlerische Filmereignis der letzten 12 Monate in Deutschland war. Was nur bedingt stimmt. Der zweite Abräumer des Abends, mit drei Lolas, allerdings nur in den technischen Kategorien Schnitt, Szenenbild und Kostümbild war »Who am I – kein System ist Sicher«, ein Hackerthriller und gut gemachter Genrefilm.
Nun, die etwas schwergängigen Filme mit den "deutschen" Themen hatten es schwer an diesem Abend. Giulio Ricciarellis »Im Labyrinth des Schweigens«, der die Vorgeschichte des ersten Frankfurter Auschwitz-Prozesses im Klima von Verdrängung und Vertuschung rekonstruiert, war viermal nominiert – und hat doch nichts gewonnen. Noch schlechter erging es »Elser«, Oliver Hirschbiegels Film um den Mann, der Hitler töten wollte: siebenmal ging er ins Rennen, siebenmal ging er leer aus. Deutsche Vergangenheit scheint den Mitgliedern der Akademie, die über die Nominierungen zu dem höchstdotierten deutschen Kulturpreis abstimmen, nicht zu liegen. Ziemlich übergangen bei den Nominierungen (mit nur einer Nominierung in der Kategorie Schnitt) war auch »Als wir träumten«, Andreas Dresens fulminante Verfilmung des Wende-Romans von Clemens Meyer. Und dass Dominik Grafs Film um das Liebesdreieck um Friedrich Schiller, »Die geliebten Schwestern« nicht als bester Film aufgestellt war, sorgte schon im Vorfeld für heftige Diskussionen.
In diese Tendenz zum Gefälligen passt es auch, dass in der Kategorie Dokumentarfilm Beyond Punishment, ein stiller Film um Täter und Opfer, Schuld und Vergebung, unterlag gegenüber dem spektakuläreren »Citizenfour« über den Whistleblower Edward Snowdon. Immerhin konnten bei der Vergabe der Bronzenen Lola an »Zeit der Kannibalen« und der Silbernen an das Kinderdrama »Jack« zwei kleine, sperrige und niedrig budgetierte Filme punkten.
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