Klaus Wildenhahn wird 85. Ein Geburtstagsgruß
Klaus Wildenhahn
Am 19. Juni wird Klaus Wildenhahn 85 Jahre alt. Durch ihn habe ich in den 1960er Jahren den Dokumentarfilm entdeckt, durch Filme aus der Arbeitswelt wie »In der Fremde« oder »Emden geht nach USA«, oder durch seine Musikfilme über Jimmy Smith und John Cage. Aber durch ihn wurde ich auch mit den Amerikanern Leacock, Drew und Pennebaker bekannt. Auch die DDR-Regisseure Jürgen Böttcher oder Volker Koepp gehörten in den Kreis um Wildenhahn. Aber sie bildeten keine Gruppe, es waren Individualisten mit einem eigenen Profil, doch man kannte sich, traf sich auf Festivals, hat dem Dokumentarfilm zu einer Bedeutung verholfen, die er bis dahin nicht hatte. Dazu beigetragen hat auch die neue Technik, die leichten 16mm-Kameras und der Originalton.
Zu Wildenhahns Geburtstag ist nun ein schönes kleines Buch mit dem Titel "Abendbier in flacher Gegend" erschienen, in dem er auf sein Leben als Dokumentarfilmregisseur zurückblickt, sich zugleich aber als Autor von Gedichten und kurzen Texten zeigt. Überrascht merkt man: seine Filme und seine Gedichte sind gar nicht so weit voneinander entfernt. Der Beobachter Wildenhahn mit oder ohne Kamera ist immer auch ein Poet. Ihn interessiert der "sogenannte Alltag, der Zustand nach der Sensation, das Befinden der sogenannten kleinen Leute, nachdem der Flügelschlag der Geschichte vorbeigerauscht ist, die eingekehrte Lange-Weile. Wie sieht es denn aus auf den Arbeitsplätzen, in Drei-Zimmer-Wohnungen, in Schrebergärten, in den Umkleideräumen der Betriebe, im Schankraum der Eckkneipe – die Pfützen auf dem Tresen, das saubere Wachstuch in der Wohnküche, der zufällige Sonnenstrahl auf der Schreibunterlage im Betriebsratsbüro."
Diese Selbstdarstellung, die die Herausgeberin Eva Orbanz in ihrem schönen Vorwort zitiert, trifft auch auf Wildenhahns Lyrik zu. Schauplätze sind Hamburg oder Ostende, wo er im Ruhestand lebt, sind Straßen und Kneipen, die Jahreszeiten und das Wetter, sind Menschen, die er kennt und Menschen, die er beobachtet. Es gibt keine Reime, oft auch keine Satzzeichen, so dass die Assoziationsketten, die Zeitsprünge, die Beobachtungen und Gedanken ineinanderfließen. Schwer ein Beispiel zu zitieren, dafür sind die Gedichte zu lang und Ausschnitte sind irreführend. Ihren Reiz entfalten sie, wenn man sie selbst liest.
Lyrik geschrieben hat er sein Leben lang. In London, wo er in den fünfziger Jahren als Pfleger arbeitete, waren es 14 Gedichte in vier Jahren. Als er sich danach beim NDR-Fernsehen bewarb, hat er sie als Referenz vorgelegt – und es half. "Das Fernsehen baute auf, da konnten noch Angelernte, Halbgelernte, Spinner unterkommen. Fast als gäbe es eine geheime Quotenregelung für Traumtänzer." Er erzählt in dem Buch auch, wie es dann 1995 endete, als er in den Ruhestand ging. Er beschreibt die Arbeit am 16 mm-Steenbeck-Schneidetisch, die er sehr liebte, er verweigert sich aber nicht dem computergesteuerten Avid-Tisch für Videos. Der letzte 16-mm-Filmer des NDR kann nun sagen: "Auch ich hinke mit der Technik nicht mehr nach." Wildenhahn reiht dieses Buch in seine Filmtheorie-Reihe als Nr.4 ein. Auch dafür gelten die Gedichte als Referenz.
Lieber Klaus, ich wünsche Dir weiterhin gute Jahre an Deiner geliebten belgischen Meeresküste.
Klaus Wildenhahn: Abendbier in flacher Gegend. Filmtheorie Nr.4. Ediert und eingeleitet von Eva Orbanz. Verbrecher Verlag Berlin 2015. Broschur, 112 Seiten, Abbildungen, 12 Euro
Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns