Interview mit Philipp Leinemann über seinen Film »Wir waren Könige«
Foto: Joachim Blobel
Philipp Leinemann über seinen Film »Wir waren Könige«
Herr Leinemann, am Anfang dieses Filmprojekts standen die Gangs, weniger das SEK?
Ja, Kernthema der ersten Fassung war die Freundschaft, die man selber erlebt hat, die dann so mit den Jahren zerfällt. Ein klassischer Polizeifilm schwebte mir nie vor. Ursprünglich 50 Minuten länger, fiel im Schnitt viel von der Geschichte der Jugendlichen weg.
Hat die Tatsache, dass es sich um einen Genrefilm handelt, die Finanzierung schwierig gemacht? Zumal der Kriminalfilm in Deutschland als Genre gilt, das durch das Fernsehen gut abgedeckt ist.
Es gab entsprechende Argumente. Ich hatte mir bis dato nie einen Kopf darüber gemacht, weil mich solche Schubladen gar nicht beschäftigt haben – ich habe einfach Geschichten erzählt, die ich erzählen wollte.
Wer war denn der initiale Unterstützer des Projektes?
Das ZDF, zusammen mit arte, dann die MDM, der FFF Bayern, im Vorfeld gab es auch eine Förderung vom DFFF. Der ZDF-Redakteur Jörg Schneider hatte das Buch gelesen und sofort gemocht, dann hat das relativ schnell funktioniert. Sie haben mir das Vertrauen ausgesprochen und freie Hand gelassen.
Sie haben sich dafür entschieden, die Stadt anonym zu machen…
Ich wollte so eine Geschichte in Deutschland erzählen und ich wollte auch eine namenlose Trabantenstadt haben - es nicht verorten auf Berlin oder München, sondern möglichst eigenschaftslos haben.
Die Trabantensiedlung selber…
Das meiste davon wurde in Halle gedreht. Zuerst habe ich gedacht, das funktioniert nicht, weil ich auch keinen Plattenbaufilm machen wollte, aber da gibt es in der Tat Viertel, die wirklich aussterben, wo viele Häuser leer stehen. Die Geschichte einer Clique, die langsam auseinander bricht, passte deshalb auch zu diesem Viertel, aus dem langsam das Leben entschwindet.
Wie sah es mit Recherchen aus? SEKs agieren ja eher im Verborgenen…
Ich habe viele Freunde in diesen Einheiten und wenn man über die Jahre mit denen beim Bier zusammensitzt, dann hört man, was die so erleben. Sie sind frustriert, nicht nur wegen der Gewalt von draußen, sondern auch wegen der eigenen Vorgesetzten, die da wenig motivieren. Ich war dankbar, dass ich diesen Zugang hatte und etwa auch die Einsatzräume sehen durfte, wo die verweilen, wo auch andere Polizisten nicht hinein dürfen. Genau so sieht das aus, wir haben das 1:1 nachgebaut. Darüber hinaus hatten wir SEKler am Set, die haben die Schauspieler beraten und mit ihnen im Vorfeld auch ein Training gemacht - bei den ganzen Kleinigkeiten hatten wir da eine Genauigkeit im Auge.
Ich musste bei Ihren Film an Dominik Graf denken, in zweifacher Hinsicht, weil er mit »Die Sieger« ebenfalls einen Kinofilm über einen SEK-Trupp gedreht hat, der für ihn ja auch ein Wendepunkt war, weil er im Kino unterging und er daraufhin jahrelang nur für das Fernsehen gearbeitet hat. Zum andern wegen der beiden Hauptdarsteller. Sind Sie durch Filme von Dominik Graf auf die beiden gekommen?
An »Die Sieger« habe ich mich nicht orientiert, eher an Filmen wie »The Deer Hunter«, Filme über verlorene Freundschaften. Natürlich habe ich dann Ronald Zehrfeld bei Graf gesehen – soviel Ausweichmögichkeiten hat man nicht, ich glaube, alles Testosteron in der deutschen Schauspiellandschaft haben wir in diesen Film gepackt. Misel Maticevic habe ich in »Im Angesicht des Verbrechens« gesehen, natürlich kannte ich ihn auch schon aus »Hotte im Paradies«. Dominik Graf war sehr interessiert an dem Film, wegen der Thematik, auch wegen der beiden Hauptdarsteller, er mochte ihn auch sehr und hat eine lobende e-mail geschrieben.
Im Film werden die Mitglieder des SEK einmal als "testosteronbepackte Draufgänger" abgekanzelt. Mussten Sie den Testosteronspiegel forcieren? Oder stellt jemand wie Ronald Zehrfeld den von selber her?
Es war eher diese Aura - wenn Roland hereinkommt, dann strahlt er mit seiner physischen Erscheinung ein bestimmtes Selbstbewusstsein aus, kombiniert in Verbindung mit seinem Spiel und seinem Blick. Ich habe mit dem Drehbuch ja schon angefangen, als ich an der Filmhochschule studierte, da hatte man natürlich noch Vorbilder wie Sean Penn und Russell Crowe, aber jetzt waren Roland und Misel Maticevic relativ schnell vor meinem Auge, beide wurde auch als erste angefragt. Der Rest war ein langes, langes Casting. Das war auch eine Diskussion mit der Förderung: braucht es so viele Figuren? Das ist eher untypisch, aber ich habe immer gesagt, ich möchte einen Ensemblefilm machen, einen Film über zwei Welten, wo ja vier Gruppen auftauchen: die beiden Cliquen, das SEK und die Streifenpolizisten.
Haben Sie diese vier Gruppen beim Dreh voneinander separiert, um da gewissermaßen einen Korpsgeist herzustellen?
Das Casting war sehr ausführlich, wir haben da eigentlich die richtigen Konstellationen zusammen gesetzt, so dass am Set selber alles lief. Alle haben das Buch aufgesogen und verstanden, alle waren heiß darauf.
Höchst eindrucksvoll ist die Szene auf der Bowlingbahn. Wie weit entwickelte sich dabei eine Eigendynamik?
Dadurch, dass die Schauspieler vom Casting her alle schon so gut miteinander harmoniert hatten, war das eine Szene, auf die sich alle gefreut haben. Ich habe gesagt, totale Freiheit, wir drehen das mit zwei Kameras, wir stehen irgendwo, es gab echten Alkohol und wir hatten es dann so gelegt, dass es das letzte Bild des Tages war, wenn nicht der Woche, da ließen sie den ganzen Druck ab - diese Szene ist ja das Herzstück.
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