Der Teufel möglicherweise
Man hätte auch ein dröges Dialogstück aus diesem Stoff machen können. Dominik Graf aber bewies mit Das Gelübde wieder einmal seine beeindruckende Fähigkeit, mit geringen Mitteln Großes zu schaffen und lieferte einen der spannendsten Fernsehfilme des vergangenen Jahres:
Basierend auf einem Roman von Kai Meyer erzählt er von der historischen Begegnung des Dichters Clemens Brentano mit der Nonne Anna Katharina Emmerick, die übrigens vor gerade mal fünf Jahren selig gesprochen wurde.
Beide wird das Aufeinandertreffen verändern: den Dichter und Lebemann (Misel Maticevic), der nach tiefer existenzieller Krise beides nicht mehr sein will
und sich mit Inbrunst dem Katholizismus zuwendet, und die bettlägerige Nonne (Tanja Schleiff), deren Körper die Wundmale Christi zeigt und die dank
ihrer Visionen eine ganze Gemeinde von Gläubigen im westfälischen Dülmen um sich geschart hat.
Brentano sucht sie im Jahre 1818 auf und will zum »Schreiber der Wunder Gottes« werden. Vor dem sorgfältig gezeichneten historischen Hintergrund von Restauration und Gegenaufklärung macht Graf einen vieldeutigen Thriller um Glaube, Suggestion und Metaphysik. Der kommt ganz und gar nicht vergeistigt
daher, sondern im Gegenteil – und darin sehr katholisch – äußerst sinnlich: Das Wort wird Fleisch und Blut; die Stigmata spielen eine ebenso wichtige Rolle wie die subtile erotische Schwingung zwischen der Nonne und dem (ehemaligen) Wüstling Brentano, der immer auch Verführer sein könnte – oder gar
Schlimmeres?
Graf spielt virtuos mit mysteriösen Motiven und Details. Wie er Zooms und schnelle Schnitte einsetzt, auch die Direktheit der gesamten Inszenierung erinnern
an einschlägige Horrorfilme der 1970er Jahre – was auch im Audiokommentar von Graf und Michael Althen im Bonusmaterial zum Thema wird. So ist der Fernsehfilm »Das Gelübde« nicht nur intellektuell und visuell brillant - der Film hat den Deutschen Kamerapreis (für Michael Wiesweg) erhalten –, sondern schafft durch seine gezielten Anachronismen zwischen Stoff und Stil auch eine ganz eigene Ästhetik.
Patrick Seyboth
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