Kritik zu #Zeitgeist
Jason Reitman nimmt in seinem neuem Film das digitale Zeitalter und seine Auswirkungen auf die verschiedenen Generationen und den Familienzusammenhalt unter die Lupe
Patricia (Jennifer Garner) ist eine Mutter, die alles unter Kontrolle hat. Tapfer und unerschrocken tritt sie den Gefahren entgegen, die Internet und soziale Netzwerke für ihre Tochter bereithalten. Alle Datenaktivitäten über den heimischen Router werden vollständig protokolliert und am Abend auf dem Sofa ausgewertet. Eine automatische Alarmfunktion übermittelt jedes Update auf der Facebook-Seite der Tochter sofort zum mütterlichen Smartphone. Passwörter sind meldepflichtig, das Telefon ihres Kindes wird einer täglichen Datenrazzia unterzogen. Patricia ist der Alptraum eines jeden Teenagers, ein NSA-Muttertier, das in Jason Reitmans #Zeitgeist auf überzeichnete Weise die elterlichen Angstfantasien der Internetära verkörpert.
Anhand von fünf Familien zeigt Jason Reitmans Film die Auswirkungen totaler elektronischer Vernetzung auf die Beziehungen zwischen Eltern und jugendlichen Kindern sowie innerhalb der jeweiligen Generationen. Ein pornosüchtiger Vater (Adam Sandler), dessen Frau (Rosemarie DeWitt) ihr außereheliches Glück auf einer Dating-Seite sucht. Ein magersüchtiges Mädchen (Elena Kampouris), das im Netz von Gleichgesinnten beraten wird. Eine Cheerleader-Queen (Olivia Crocicchia), die von einer Hollywoodkarriere träumt und auf der eigenen Website mit Unterstützung der Mutter (Judy Greer) anzügliches Fotomaterial postet. Ein Junge (Travis Tope), der nach jahrelangem Pornokonsum beim ersten Sex kläglich versagt. Ein anderer (Ansel Elgort), der sich aus der familiären Krise in ein Onlinevideospiel flüchtet – es ist ein Arsenal von Figuren, die hochvernetzt den Kontakt zu sich selbst, der eigenen Sexualität und ihren Nächsten verloren haben. Dabei bleibt Reitman ohne moralisierenden Zeigegefinger nah dran am komplexen Beziehungsgeflecht, schärft den Blick für die emotionalen Nöte von Eltern wie Teenagern und entwickelt daraus ein Sittengemälde der amerikanischen Gesellschaft im Strudel des Informationszeitalters.
Souverän bewegt sich der Film durch das Niemandsland des Unverständnisses zwischen den Generationen. Dabei unterscheiden sich die Sehnsüchte und Frustrationen der Söhne und Töchter gar nicht so sehr von denen der Väter und Mütter. Wie schon in Juno umschifft Reitman auch in #Zeitgeist die Fallstricke der Parteilichkeit im Generationenkonflikt.
Natürlich setzt die mehrsträngige Handlung der Figurenentwicklung Grenzen, was jedoch durch die äußerst fokussierten schauspielerischen Leistungen weitgehend ausgeglichen wird. Nach Punch-Drunk Love lässt Adam Sandler hier noch einmal seine ermüdende Komödienpersona hinter sich und zeichnet ein differenziertes Porträt des pornosüchtigen Familienvaters. Die fabelhafte Rosemarie DeWitt arbeitet die emotionalen Ambivalenzen im Seitensprunggewerbe prägnant heraus, und im Teenagerlager überzeugt vor allem Ansel Elgort (Das Schicksal ist ein mieser Verräter) als Jugendlicher, der sich auf der Suche nach den eigenen, wahren Gefühlen zunehmend von seiner Umwelt ausschließt.
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