Kritik zu Winchester – Das Haus der Verdammten
Im Horrorfilm der Spierig-Brüder (»Jigsaw«) spielt Helen Mirren die exzentrische Witwe des legendären amerikanischen Waffenfabrikanten-Clans
Die Waffen der Winchester Repeating Arms Company spielen in der Geschichte der Vereinigten Staaten keine kleine, dafür aber eine düstere Rolle. Die berühmt-effizienten Repetiergewehre verliehen der Landnahme Nachdruck, verwiesen Sklaven auf ihren Platz, kamen im Bürgerkrieg zum Einsatz. Ungezählt sind ihre Opfer, unermessen das durch sie verursachte Leid. Und immens ist die Verantwortung all jenen gegenüber, die durch sie unschuldig zu Tode gekommen sind. Also braucht es ein Sühnezeichen, ein angemessenes Denkmal, findet jedenfalls Sarah Lockwood Winchester, Witwe von William Wirt Winchester und Erbin von Firma und Vermögen. Sie errichtet ein Gebäude, das seinesgleichen sucht. Eine Heimstatt für all die zornigen und traurigen Seelen, die der Fluch der Winchesters sind. Einen Ort, an dem sie zur Ruhe kommen auf ihrem unfreiwilligen Weg ins Jenseits. Einen Rastplatz, an dem sie gehört und besänftigt werden.
So geht die Legende, und wie immer bei Legenden ist was Wahres dran. Mrs. Winchester (ca. 1840–1922) war, wie zu ihren Zeiten nicht unüblich, dem Spiritismus zugeneigt, sie lebte zurückgezogen, was ihr den Ruf des Sonderlings einbrachte, und sie baute und baute an ihrem Haus in San Jose, Kalifornien, herum, bis sich keiner mehr darin auskannte. Am wenigsten die Geister der Verstorbenen, die mit all den Treppen, Gängen, Kammern und Schränken in die Irre geführt wurden. Angeblich.
Die Entstehungsgeschichte des sogenannten Winchester Mystery House – das zu den berühmtesten »Haunted Houses« der USA zählt und heute eine beliebte Touristenattraktion darstellt – liefert einen wunderbaren Stoff für einen Horrorfilm. Nur leider setzen Michael und Peter Spierig diesen in »Winchester« in den Sand. Und Helen Mirren, die in der Rolle der ebenso bauwütigen wie reumütigen Witwe ihr bekanntlich nicht wenig Bestes gibt, kann auch nichts retten. Es ist ein Trauerspiel, wie hier das große Thema von Schuld und Sühne, das sich ohne viel Mühe erweitern ließe in Richtung »traumatische Identitätsbildung einer Nation und deren Folgen«, verraten wird an unnötige inszenatorische Hast, gepaart mit narrativer Schludrigkeit, an billige Jump-Scares und hohlen Krawall. Zumal mit Dr. Eric Price, der von der Winchester Company beauftragt wird, den Geisteszustand der Witwe zu begutachten, ein veritabler Psychologe zum Figurenarsenal zählt und als Mittler zum Publikum fungiert. Dem es also eigentlich ein Leichtes wäre, von den Geistern dahingemetzelter Ureinwohner, verschleppter und geknechteter Afrikaner, ermordeter Südstaatenbrüder und -schwestern, die Mrs. Winchesters Haus bevölkern, zu schließen auf die Psychopathologie eines Volkes, dessen Gründungsmythen in Völker- wie Massenmorden wurzeln. Anstatt aber all das Offensichtliche zur Sprache zu bringen, scheut »Winchester« die Wahrheit seiner grundlegenden Idee wie der Teufel das Weihwasser und belegt stattdessen einmal mehr und völlig unnötig das größte Laster des Horrorfilmgenres: (Denk-)Faulheit.
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