Kritik zu Warten auf Bojangles
Régis Roinsard verfilmt den fantasievollen Roman von Olivier Bourdeaut mit Romain Duris und Virginie Efira in den Hauptrollen
Hochstapler üben eine elektrisierende Faszination aus, wenn sie mit hedonistischer Leichtigkeit die Welt narren und zugleich der tristen Realität mit ihren fantastischen Geschichten Glanz verleihen. So wie Camille und Georges in Régis Roinsards betörend schöner Verfilmung von Olivier Bourdeauts Roman »Warten auf Bojangles«. Es ist die Geschichte zweier Liebender, die sich um die Banalitäten des Lebens nicht scheren. Es ist aber auch die Geschichte der zerstörerischen Kraft eines solchen Lebens.
Georges (Romain Duris) hat sich auf eine feine Party an der Riviera geschmuggelt, leert ein Champagnerglas nach dem anderen und erzählt den betuchten, ältlichen Gästen immer neue Geschichten über sein Leben. Camille (Virginie Efira) ist auf die Einladung des wohlhabenden und in sie verliebten Charles (Gregory Gadebois) gekommen. Ihn, der zum treuen Familienfreund wird, werden Georges und Camille fortan nur noch liebevoll »Mistkerl« nennen. Georges ist auf den ersten Blick von Camille fasziniert, die beiden flüchten mit einem Sprung ins Mittelmeer, dann mit einem Cabrio in eine entlegene Kapelle, wo sie sich das Jawort geben und ihren Sohn Gary (Solan Machado-Graner) zeugen. Es ist der Beginn einer romantischen Amou fou.
In der Schule wird Gary ausgelacht, als er erzählt, dass seine Eltern die Post niemals öffnen und stattdessen in der fantasievoll eingerichteten Pariser Wohnung jeden Abend Partys mit Hunderten von Gästen feiern. Drängende Geldsorgen, Pflichterfüllung haben in diesem Leben keinen Platz. Man schaut dem verliebten Paar, der lustig-verrückten Kleinfamilie bei diesem Rausch gern zu, doch schon bald legt sich ein Schatten darüber. Immer häufiger plagen trübe Gedanken Camille, Gewaltausbrüche überkommen sie, sie traut ihrer selbst geschaffenen Welt nicht mehr – bis sie in der Psychiatrie landet.
Roinsard siedelt seine Geschichte in den späten 50er, frühen 60er Jahren an. Die Welt ist bunt an der Riviera, später in Paris, doch als Camilles depressive Episoden an Intensität und Häufigkeit zunehmen, werden auch die Farben blasser, plötzlich bestimmen kalte Blautöne und Neonlicht die Szenerie. Camille sind die inneren Dämonen ins Gesicht geschrieben, Georges breites Lachen wird immer seltener. Nur der kleine Gary scheint die Gabe seiner Eltern geerbt zu haben und findet immer wieder fröhliche Interpretationen für bedrückende Szenerien. Eines Tages entführen Vater und Sohn Camille aus der Psychiatrie und flüchten nach Spanien, wo sie einst schon ein Luftschloss bauen wollten. Die Farben kehren in ihr Leben zurück, die Geister Camilles können sie nicht vertreiben – immer begleitet von dem titelgebenden Song über den Mann, der das Leben wegtanzte und sang.
Was als knallbunte Liebeskomödie beginnt, entwickelt sich zu einer tragischen Familiengeschichte, die bei aller Ernsthaftigkeit niemals ihre Leichtigkeit verliert. Ziemlich am Ende sagt Camille zu Gary: »Ich lasse nicht zu, dass der Wahnsinn das alles verdirbt«, und meint damit die Magie des Lebens.
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