Kritik zu Vom Gießen des Zitronenbaums
Elia Suleiman präsentiert einmal mehr kunstvoll arrangierte cineastische Tableaus, in denen sich das Weltgeschehen, der Nahostkonflikt und der Konflikt mit einem übergiffigen Nachbarn spiegeln
Elia Suleiman trifft Reisevorkehrungen. Der sich selbst spielende Regisseur aus Nazareth will potenzielle Geldgeber für sein neues Filmprojekt kontaktieren. Um ihn herum geschehen derweil skurrile Dinge. Ein freundlicher Nachbar plündert seine Zitronen und rechtfertigt den Übergriff damit, er habe ja vorher gefragt. Ein anderer Nachbar erzählt die Geschichte von einer Schlange, die einen Autoreifen aufpumpt.
Es ist eine fremde und seltsame Welt, die Suleiman in seiner Anthologie lose zusammenhängender Tableaus beobachtet. Mit den Klischees des Nahostkonflikts, die man aus Fernsehnachrichten kennt, haben diese Bilder nichts zu tun. Keine Raketeneinschläge, keine Intifada. Stattdessen: verdichtete, stilisierte Vignetten im Jacques-Tati-Stil. Da sitzt am Nachbartisch ein grimmiges Brüderpaar. Sie beschweren sich. Im Essen ihrer Schwester seien Spurenelemente von Alkohol gewesen. Der Wirt kennt seine Pappenheimer. Er ertränkt ihren Protest im Whiskey. Später wird Suleiman beim Autofahren überholt von einem Polizeiwagen, auf dessen Rücksitz eine gefesselte Frau sitzt. Fahrer und Beifahrer, israelische Polizisten, widmen sich mit schlafwandlerischer Hingabe ihren Sonnenbrillen.
Mit solchen aphoristisch zugespitzten, zuweilen traumartigen Beobachtungen, in denen der Regisseur und Hauptdarsteller jeweils als stoisch schweigender Betrachter zugegen ist, lotet Suleiman das widersprüchliche Selbstverständnis der Palästinenser und ihr gebrochenes Verhältnis zu den Israelis aus. Ohne erhobenen Zeigefinger. Der palästinensische Alltag erscheint in diesen surreal anmutenden Bildern, die mal mehr und mal weniger enigmatisch daherkommen, als routinierte Form von Agonie.
Auf den ersten Abschnitt, seinen Landsleuten in Nazareth gewidmet, folgen Szenen in Paris und New York. Lose gebündelt sind diese Episoden durch den Erzählfaden, demzufolge der Regisseur bei Produktionsfirmen vorspricht. Dabei verändern sich die Thematik und der Tonfall deutlich. Zwei Sujets treten in den Vordergrund: das Verhältnis zu Frauen und zur Gewalt. In der französischen Metropole, die man noch nie so gespenstisch menschenleer gesehen hat, erscheint der Bürgersteig wie ein Catwalk, auf dem Passantinnen wie verführerisch anmutende Models defilieren. Suleiman ironisiert den Blick eines Mannes, der in seiner Heimat offenbar nur verschleierte Frauen sieht. Entsprechend konfrontiert ihn das Pariser Trottoir mit einer Überdosis an Weiblichkeit. In New York schließlich tragen Passanten selbst beim Einkaufsbummel schwere Waffen – als zögen sie mit Silvester Stallone in den Dschungeleinsatz.
Was auch immer in der Welt geschieht, so die Pointe dieses – nicht durchweg subtilen – filmischen Gedichts, hat etwas mit dem Nahostkonflikt und den Palästinensern zu tun. War die erste halbe Stunde noch ein cineastisches Erlebnis, so geht dem Film zusehends die Luft aus. Ein liebenswürdiger Cameoauftritt von Gael García Bernal ändert daran nichts. Schade eigentlich.
Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns