Kritik zu Unsere Herzen – Ein Klang
Voller Empathie porträtiert das Regieduo Torsten Striegnitz und Simone Dobmeier drei außergewöhnliche Chorleiterpersönlichkeiten und entfaltet so die Magie des gemeinsamen Singens
Gesang begleitet schon die ganze Menschheitsgeschichte, in der Freude wie in der Trauer, als Lob- oder Machtdemonstration, mal allein, unbedingt aber in der Gemeinschaft. Singen im Chor bedeutet Menschlichkeit. Das Individuum öffnet sich und ordnet das eigene Ich dem Kollektiv unter, wird so Teil eines einzigartigen Klangerlebnisses, das nur als Zusammenspiel funktioniert. Kein Wunder, dass in den vergangenen (Vor-Corona-)Jahren offene Chorevents wie »Hamburg singt«, bei dem sich allwöchentlich Hunderte von Laien unter professioneller Leitung zum Singen trafen, boomten.
Auf der Suche nach einem Bild für den großen Konflikt des modernen Menschen, zwischen zunehmender Individualisierung und gemeinschaftlicher Identität, stieß das Regieduo Simone Dobmeier und Torsten Striegnitz eben auf diese Einzigartigkeit des Chorgesangs. In ihrem Dokumentarfilm »Unsere Herzen – Ein Klang« begleiten sie zwei Chorleiterinnen und einen Chorleiter und zeigen dabei die große Magie, die Kraft des gemeinschaftlichen Singens und die unglaublich fordernde wie inspirierende Rolle, die den Dirigentinnen und Dirigenten dabei zukommt.
Da ist der Weltstar Simon Halsey. Der charismatische Engländer ist ein großer Entertainer, mitreißend und mit ungeheurem Tempo will er dem Chorsingen zu immer mehr Bedeutung verhelfen. Er arbeitet mit Sir Simon Rattle ebenso wie mit Schulklassen, schafft Megaevents, fordert mit einer bestimmenden Nonchalance und einem liebenswerten Englisch-Deutsch-Mix alles von seinen Schülerinnen und Schülern ohne jede Strenge, so zumindest zeigt ihn der Film. Fast rastlos folgt die Kamera diesem Berserker nach New York, in sein Häuschen ins englische Warwick, nach Berlin und nach Hannover. Halsey lebt seinen Enthusiasmus.
Das gilt auch für die Berlinerin Judith Kamphues, die »Queen of Warm-ups«, wie Halsey sie bei einem Dirigentenwettbewerb vorstellt. Sie ist Gesangspädagogin und Sängerin, mütterlich, stets freundlich und motivierend. Und da ist die junge Chorleiterin Hyunju Kwon, in Mannheim lebend und aus Korea stammend, agiert sie sehr konzentriert, kontrolliert mit dem Dirigentenstab, technisch brillant. Doch vernachlässigt sie dabei oftmals die Interaktion mit dem Chor, wie ein Lehrer ihr einmal sagen wird. Für sie geht es um viel. Wird sie zur Meisterklasse zugelassen, erhält sie ein Visum für weitere zwei Jahre und den Eintritt in die Weltklasse.
Dobmeier und Striegnitz konzentrieren sich ganz auf ihre unterschiedlichen Protagonisten und deren Zusammenspiel mit den Chören. So ermöglichen sie einen Blick in eine für viele unbekannte Welt. Am Ende aber ist »Unsere Herzen – Ein Klang« dann doch so etwas wie ein Starporträt, das der Zeit geschuldet auch zu einem Corona-Film wird. »Ich bin ohne den Chor nichts«, realisiert Hyunju Kwon während einer der Lockdowns. Ein Satz, der über dem kompletten Film stehen könnte, der die Gemeinschaft feiert – empathisch und in weiten Teilen mitreißend im Sog des Gesangs.
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