Kritik zu Unplugged: Leben Guaia Guaia

© W-Film

2012
Original-Titel: 
Unplugged: Leben Guaia Guaia
Filmstart in Deutschland: 
11.07.2013
V: 
L: 
95 Min
FSK: 
keine Beschränkung

Der Dokumentarfilmer Sobo Swobodnik geht in seinem Bandporträt mit großer Sympathie der Frage nach, wie sich das Leben auf der Straße meistern lässt, wenn man nur die Musik hat, die einen über Wasser hält

Bewertung: 3
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Guaia Guaia ist eine Band, die nur aus zwei Leuten und einem Laptop besteht, eine Band, die fast täglich auftritt, und zwar meistens umsonst und draußen, aber auch in schummerigen Clubs und in alten Fabrikhallen. Die beiden Musiker Elias Gottstein und Carl Luis Zielke allerdings leben von und für diese Band. Beide haben das Gymnasium in Neubrandenburg nach der 10. Klasse abgebrochen und spielen seitdem ohne festen Wohnsitz als Straßenmusiker. Wer immerzu unterwegs ist, so sagen sie, braucht keine eigene Wohnung. Doch wirklich auf der Straße schlafen sie nur selten. Fast immer findet sich jemand, der ihnen einen Schlafplatz anbietet. Kleider finden sie in den Spenden für das Rote Kreuz, Benzin für ihre tragbaren Generatoren tropfenweise an Tankstellen und Essen in den Müllcontainern der Supermärkte. Ihre Musik hingegen ist in keiner Weise dilettantisch. Posaune, Trompete, E-Gitarre und synthetisches Schlagwerk, dazu deutscher Gesang mit provokativen Texten, die manchmal nur aus dem rhythmisierten Wort »Weißwein« bestehen. Drei CDs sind bereits im Selbstverlag erschienen.

Sobo Swobodniks Film lebt von seiner Unmittelbarkeit. Er bleibt den beiden Freunden dicht auf den Fersen, ist nicht nur bei den spontanen Auftritten, sondern auch bei den improvisierten Übernachtungen dabei, im Regen und bei schönem Wetter. Man könnte fast meinen, seine Beleuchtung speise sich aus dem gleichen Generator wie die E-Gitarre. Die Kamera ist präsent, ohne zurückhaltende Beiläufigkeit. Harte Schwenks, unscharfe Bilder und wackelige Fahrten sind schon lange nicht mehr innovativ, hier jedoch entstehen sie aus den Situationen heraus. Es wird nichts nachinszeniert, ein »mach das doch eben nochmal für die Kamera« gibt es nicht.

Alles ist im Film, wie Sobodnik es vorgefunden hat. Auch das steht für einen Moment der Freiheit, sich nicht darum kümmern zu müssen, was andere für eine Vorstellung von Perfektion haben. Dann aber sieht man auch, dass es Swobodnik um mehr geht, als nur darum, ein Porträt einer Band zu zeichnen, der Freiheit über alles geht und diese rauschhaft genießt. Wenn alles voller Drogen ist, besteht der Rausch darin, sie nicht zu nehmen, sagt Luis.

Swobodniks Film stellt ganz unvermittelt Bezüge her zwischen einer saturierten Gesellschaft, die sich bei allem Überfluss das Klagen noch immer nicht abgewöhnt hat und zwei Jungen, die dem Spaßprinzip frönen und tatsächlich Freude daran haben. Es ist eine Absage an den Selbstzweck des Materiellen und eine dynamische Umsetzung des Lebensstils in Musik. Irgendwann bauen sich die beiden dann dreirädrige Transportfahrräder. Obwohl es nun noch mühsamer ist, von Ort zu Ort zu ziehen, ist diese Unabhängigkeit ein weiterer Schritt in Richtung kompromissloses Leben. Bei aller Ungewissheit, was die Zukunft betrifft. Im Gegenteil, es gibt zahlreiche Gründe für die Annahme, dass dies der Beginn einer ganz normalen Karriere sein könnte. Die Mediengesellschaft ist aufmerksam geworden und wird sich weiter um die Band kümmern. Bei der Premiere auf dem Filmfest München 2012 gewann der Film den Publikumspreis des Bayerischen Rundfunks

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