Kritik zu Tel Aviv – Beirut
Michale Boganim erzählt die Geschichte zweier Familien im Israel-Libanon-Konflikt mit kraftvoller Poesie
Es gehört zum Irrsinn vieler Kriege, dass die Grenzen besonders dann geschlossen werden, wenn sie vorbei sind. Geflüchtete Menschen können oft nicht in ihre Heimat zurückkehren, es sei denn, um beerdigt zu werden. So verhärtet sind die Fronten auch im bis heute andauernden Konflikt zwischen Israel und dem Libanon. Die israelisch-französische Regisseurin Michale Boganim erzählt in ihrem bewegenden Drama »Tel Aviv – Beirut« vor dem Hintergrund der kriegerischen Auseinandersetzungen von 1984 bis 2006 vom Schicksal zweier Familien auf beiden Seiten der Grenze. Es geht um Freundschaft und Verrat, um den Verlust von Heimat und Menschen, und eben jenen Irrsinn des Krieges, der die meisten Menschen als Verlierer zurücklässt.
Boganim gliedert ihren Film in drei Kapitel, beginnend 1984 mit der israelischen Besatzung des Südlibanons. Dort lebt die kleine Tanya (Maayane Elfassy Boganim) mit ihrer Familie. Der Krieg gehört zum Alltag. Ihr Vater Fouad (Younes Bouab) arbeitet für die von Israel unterstützte Miliz. Eines Tages rettet der junge israelische Soldat Yossi (Amit Shushani) Tanya das Leben. Tanyas Familie nimmt ihn wie einen eigenen Sohn auf, während Yossi seine Frau Myriam (Talia Maidenberg) und den neugeborenen Gil selbst in Israel zurückgelassen hat. Jahre später, 2000, übernimmt die Hisbollah den Libanon. Als Kollaborateur der Israelis muss Fouad mit der inzwischen erwachsenen Tochter (Zalfa Seurat) fliehen. Einsam, von den Israelis verachtet und auch von Yossi im Stich gelassen, leben sie ärmlich in einem Wohnwagen. Im Jahr 2006 bricht erneut Krieg im Libanon aus. Tanya sucht den Kontakt zu Yossi, um Medikamente für ihren schwerkranken Vater zu besorgen, und trifft dort auf Myriam, die wiederum Tanya um Hilfe bittet.
Voller Kraft und Poesie, ohne Pathos folgt Boganim diesen beiden starken Frauen, die alles verlieren, was ihnen lieb ist, und deren Schicksale sich immer wieder kreuzen. Dabei ist Tanya die zentrale Figur, eine komplexe Frau, die emotional zwischen den Fronten navigiert und Grenzen überschreitet. Boganim konzentriert sich auf die Perspektive dieser beiden Frauen. Der Krieg findet im Off statt, er ist zu hören und zu spüren, die Kriegshandlungen selbst aber sind kaum zu sehen, nur die Auswirkungen auf die Menschen.
Die Filmemacherin folgt in langen Einstellungen ihren Figuren in die oftmals unwirtliche, einsame Grenzregion, das Ganze wird eindrücklich untermalt von Jazzmusiker Avishai Cohen, dessen Score ohne Streicher- und Klavierklänge auskommt. Und obwohl Tanya und Myriam auf unterschiedlichen Seiten stehen, lernen sie von- und voreinander, gelangen zu Respekt und Verständnis. Sie verstehen, dass sie Sorgen und Erfahrungen teilen, obwohl sie auf verschiedenen Seiten stehen. »Tel Aviv – Beirut« ist auch ein mutiger Film, weil er von der Instrumentalisierung im Krieg erzählt, von Menschen, die zuerst benutzt und dann schutzlos zurückgelassen werden.
Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns